House of God
den Monitoren beobachtete und gelegentlich ein Medikament verabreichte oder ein paar Knöpfe drückte, hatte ich die ganze Nacht Unheil abgewendet. Bloom hatte die Nacht überstanden. Das Tollste an jenem Morgen war Pinkus, der am Ende der Visite auf mich zukam und zu Jos größtem Kummer sagte:
»Roy, das war gute Arbeit in Ihrer ersten Nacht im Dienst. Und nicht nur gute Arbeit, ich meine, verdammt gute Arbeit, Roy. Verdammt gute Arbeit.«
Für den Rest des Tages schwamm ich auf dem erhebenden Gefühl, ein großer Könner zu sein. Bevor ich ging, machte ich noch die M und M-Visite mit. M und M steht für Morbidität und Mortalität. Bei dieser Konferenz wurden die jüngsten Fehler ausführlich besprochen, mit dem Hintergedanken, daß sie dann nicht wiederholt würden. In der Praxis war das eine Gelegenheit für die Oberen, auf die Unteren zu scheißen. Wenn man bedenkt, wie leicht ein
Intern
Fehler macht, ist es nicht verwunderlich, daß es
Interns
gibt, die dort immer und immer wieder erscheinen. An jenem Tag war es wieder einmal Howie, der angeschissen wurde, weil er jemanden in seinem zukünftigen Fachgebiet, der Nephrologie, falsch behandelt hatte. Unglücklicherweise hatte er eine falsche Diagnose gestellt und den Mann auf Arthritis hin behandelt, bis der an Nierenversagen starb. Ich kam dazu, als Howie gerade den Tod verkündete.
»Haben Sie die Obduktionserlaubnis?« fragte der Leggo.
»Natürlich«, sagte Howie, »aber ich habe einen Fehler gemacht; der Patient war gar nicht tot.«
Der Leggo bedeckte seine Augen mit der Hand und sagte:
»Oh. Schön, und was ist dann passiert?«
»Ich habe den
Resident
gerufen«, sagte Howie, und alle lachten.
»Ja und?« fragte der Chief.
»Dann starb der Patient tatsächlich, und wir hatten die Erlaubnis. Die letzten Worte des Sterbenden waren ›die Schwester ist inkompetent‹ oder vielleicht auch ›die Schwester ist inkontinent‹.«
»Was macht das für einen Unterschied?« fragte der Leggo scharf.
»Nun, ich weiß nicht«, sagte Howie.
Und dieses Arschloch liebte Molly? Ich döste weg und erwachte wieder, als der Leggo den Fall besprach. Er sagte:
»Die meisten Patienten, die Glomerulonephritis haben und Blut spucken, haben Glomerulonephritis und spucken Blut.«
Ich dachte, ich hätte geträumt, bis ich wieder erwachte und die nächste Perle des Leggo hörte:
»Es gibt eine Tendenz zur Heilung bei dieser tödlichen Krankheit.«
Wie langweilig. Die spielten hier mit Nierenerkrankungen herum, während ich auf meiner Station Hochleistungsmedizin betrieb, mit exakter Regulierung jedes bekannten Körper-Parameters. Ich verließ M und M, meldete mich ab und fuhr nach Hause. Unterwegs stellte ich überrrascht fest, daß ich glücklich pfiff und an die Muskulatur meiner Beine dachte. Ich würde werden wie Pinkus. Die Abgestorbenheit, die ich in
Gomer-City
empfunden hatte, war der Spannung auf dieser Station gewichen. Wie die Notaufnahme war auch dies kein Ort, wo Gomers hängenbleiben und mich überleben konnten, oh nein. Aus dieser Station wurde man sonstwohin abgeschoben, es sei denn, man war jung oder reich. Dieser Nervenkitzel, mit Krankheit in ihrer ganzen Komplexität umzugehen, alles im Griff zu haben. Mit gutem und kraftvollem Einsatz an der Spitze des Haufens zu stehen, der Elite des Berufs. Ich war König. Jawohl.
Ich konnte es nicht erwarten, meine Shorts anzuziehen und in die alten Schuhe von Pinkus zu schlüpfen. Gut ausgetreten, schmeichelten sie meinen Füßen. Müde wie ich war, machte ich die Dehnungsübungen von Pinkus und trabte auf die Straße hinaus. Die untergehende Sonne vor mir, das beruhigende PLONKA , PLONKA der breiten, gepolsterten Sohlen auf dem Asphalt, trug es mich ein paar Meilen dem Land der erweiterten Koronargefäße entgegen, offen für reiches, rotes, gut mit Sauerstoff versorgtes Blut. Ich kam mir vor wie ein Kind, das nach dem Abendessen noch einmal hinausdarf, und glitt auf den Schwingen von Ikarus in der ersten warmen Abendbrise des Frühlings dahin.
Ich kam mit Brustschmerzen zurück und fürchtete, es wäre
angina pectoris,
und daß ich zu spät im Leben mit dem Sport angefangen hätte. Ich würde beim Laufen an einem Herzinfarkt sterben. Pinkus würde meine Leiche betrachten und wehmütig sagen: »Schade. Zu spät.«
Berry wartete zu Hause auf mich, und da sie mein träges Leben kannte, wollte sie ihren Augen nicht trauen. Ich nahm ihre Hände und legte sie auf meinen
gastrocnemius.
»Hier, fühl mal«, sagte
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