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Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids

Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids

Titel: Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Walbrecker
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eingekauft. Es war auch ein 15-Liter-Krug Whisky auf dem Boot, und darüber machte sich der Alte her.
    Ich sage es in aller Deutlichkeit: Es wurde die Hölle! Der Kerl ließ sich vollaufen und kippte noch nach, als eigentlich schon nichts mehr rein ging. Er begann zu fluchen, dann zu phantasieren und zu lallen, und zu guter Letzt fiel er in einen Erschöpfungsschlaf, der ihm alles andere als Ruhe bescherte: Erst stöhnte er. Dann schrie er. Und daraus wurde allmählich ein Heulen und Wehklagen. Ich beobachtete ihn, wie er sich auf seinem Lager wälzte, von Alpträumen geschüttelt und gequält und mit einer Fahne, die mich fast betrunken werden ließ. Irgendwann wachte er auf, kroch auf allen vieren durch die Hütte, murmelte wirres Zeug vom Teufel und von Toten und stierte wild um sich. Als er mich erblickte, glotzte er mich an wie ein fremdes Wesen, nannte mich den Engel des Todes und verkündete mir: „Ich muss dich umbringen, bevor du kommst und mich abholst!“
    Bevor ich begriff, was hier gespielt wurde, hatte der Alte ein Taschenmesser in der Hand und torkelte auf mich zu. Ich wich aus, aber er ließ nicht locker. Mal brüllend, mal fluchend und dann wieder fürchterlich lachend hetzte er mich durch die Hütte und schwang dabei das Messer.
    Todesangst kroch in mir hoch. Ich rief ein ums andere Mal: „Ich bin doch Huck! Ich bin doch dein Sohn!“ Aber der Alte war wohl wahnsinnig geworden. Er setzte mir nach, bekam mich irgendwann an der Jacke zu packen, und ich dachte schon, nun wäre es um mich geschehen. Erst im letzten, allerletzten Moment gelang es mir, aus der Jacke zu schlüpfen und in die entfernteste Ecke des Raumes zu springen. Ich war fix und fertig – aber fest entschlossen, mich bis zum Äußersten zu wehren. Doch der Alte hatte sich verausgabt. Erschöpft ließ er sich gegen die Tür fallen und kündigte nur an: „In einer Minute werde ich dich umbringen!“ Unmittelbar danach sank er in sich zusammen und schlief ein.
    Es muss ein Jahrhundertrausch gewesen sein, den mein Alter auszuschlafen hatte. Jedenfalls wusste er am nächsten Tag nichts mehr von dem, was vorgefallen war. Dafür saß mir noch der Schreck in den Gliedern. Und mein Entschluss stand fest: Ich wollte so schnell wie möglich weg. Und ich würde eine Flucht inszenieren, der jede Art von Verfolgung überflüssig machte.
    Das Glück war mir hold. Gleich am nächsten Mittag, als mich mein Alter an den Fluss zum Fischen geschickt hatte, sandte mir das Schicksal ein wunderbares Geschenk: Mitten zwischen Ästen, Rinden und ganzen Stämmen, die das Junihochwasser an mir vorbei trieb, kam doch glatt ein Boot geschwommen – führerlos, leer und völlig intakt. Ein Hechtsprung und ein paar kräftige Züge, und ich war sein Besitzer. Gerade noch bevor mein Alter auftauchte, um sich nach meinem Anglerglück zu erkundigen, hatte ich das wertvolle Gefährt im Uferdickicht versteckt. Ich erzählte ihm etwas von einem Sturz ins Wasser und konnte glücklicherweise ein paar Welse vorzeigen, die inzwischen an den Angelschnüren zappelten. Mein Alter war zufrieden, hoch zufrieden sogar: Denn zu seiner Freude kam da auch noch ein halbes Floß getrieben!
    â€žSo etwas muss man nur ans Ufer ziehen, anständig festbinden, irgendwann mit dem Boot zum Dorf bugsieren, gut verkaufen, und schon kann man sich einen neuen Krug Whisky leisten“, murmelte der Alte. Und genauso geschah es! Am Nachmittag, nach einem weiteren Schläfchen, kündigte mir mein Vater an, er habe was Dringendes im Dorf zu erledigen.
    Für mich hieß das wie immer: Ab in die Hütte und das gefälligst ohne Widerrede!
    Zur Sicherheit murmelte ich dieses Mal was von „Gemeinheit“ und „Kein Vertrauen zum eigenen Sohn“. Mein Alter indessen ließ sich nicht erweichen. Er verschloss die Tür und ich hörte ihn im Weggehen rufen: „Bin bald wieder zurück.“
    Ich wartete nicht lang. Kaum vermutete ich Paps auf dem Fluss, machte ich mich an die Arbeit: Sägen, was das Blatt und meine Muskeln hergaben! Und ehe der Alte noch das andere Flussufer erreicht hatte, war ich schon draußen aus der Hütte. Alles Weitere erledigte ich exakt so, wie ich's mir mindestens zehnmal zurechtgelegt hatte: Mehlsack, Speckseite, Munition, Angelschnüre, zwei Decken, Zündhölzer, Pfanne, Kaffeetopf ... kurzum: Den ganzen Haushalt

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