Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids
wurde mein Alter lammfromm, fing sogar zu heulen an und schwor Besserung und ewige Enthaltsamkeit.
Die wunderbare Wandlung hielt nicht lange an: Noch in der gleichen Nacht überkam ihn schrecklicher Durst. Er kletterte aus dem Fenster, versetzte seine neue Jacke gegen einen Krug Schnaps, besoff sich, bis er sternhagelvoll war, schaukelte heimwärts zum Richter, wollte ins Fenster klettern, baute dabei einen kapitalen Sturz, brach sich den linken Arm gleich zweimal und wurde am nächsten Morgen halb erfroren unter dem Fenster gefunden.
So oder ähnlich ging es einige Zeit weiter: Saufen, Gefängnis. Saufen, Gefängnis. Und dazwischen gab's dann eine kräftige Tracht Prügel für mich, weil ich immer noch die Schule besuchte.
Es kam das Frühjahr, und ich hoffte schon auf bessere Zeiten â da, eines Tages, geschah das Schlimmste, was ich mir ausmalen konnte: Mein Alter lauerte mir auf, packte mich mit roher Gewalt und entführte mich in einem Kahn etwa drei Meilen stromaufwärts. Wohin? Ich sollte es bald erfahren.
Kapitel 2
Gefangenschaft und Flucht
Mein Vater hatte alles perfekt vorbereitet: Fernab von allem Leben, tief im Wald in der Nähe des Illinois-Ufers, hatte er eine Blockhütte ausfindig gemacht, wo ich hinfort mein Leben fristen sollte. Hier hausten wir zu zweit. Tagsüber lieà mich der Alte nicht aus den Augen, und nachts schloss er die Tür ab und legte den Schlüssel unter seinen Kopf. Er hatte eine Flinte, die wahrscheinlich gestohlen war. Damit gingen wir auf die Jagd. Und wenn genügend Fisch und Wildbret zusammengekommen war, sperrte mich mein Alter ein, fuhr mit dem Boot stromabwärts zum Laden an der Fähre und tauschte das Ganze gegen Whisky ein. Dann kam er heim, betrank sich maÃlos und verprügelte mich.
So schrecklich es klingt â ich gewöhnte mich an das neue Leben. In wenigen Wochen hatte ich die guten Manieren abgelegt, war zerlumpt und verdreckt wie mein Alter und verbrachte fast den ganzen Tag mit Fischen, Faulenzen und Pfeiferauchen.
Eigentlich hätte es ewig so weitergehen können. Aber erstens übertrieb es mein Alter mit den Schlägen. Und zweitens ging er immer öfter weg und tauchte immer unregelmäÃiger wieder auf. Währenddessen war ich jedes Mal eingesperrt, fühlte mich wahnsinnig einsam, und irgendwann packte mich sogar die schiere Panik: Vielleicht ist der Kerl längst ersoffen, dachte ich. Schon drei volle Tage war er nicht mehr aufgetaucht. Und ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: Ausbruch!
Doch wie sollte ich das bewerkstelligen? Die Fenster waren so klein â da kam nicht einmal ein Hund durch. Den Kamin konnte man nicht hinaufklettern, weil er zu eng war. Und die Tür war aus dicken Eichenbohlen. Dann aber wurde ich fündig: Ich entdeckte eine rostige Säge, besser gesagt: nur ein Sägeblatt. Das schmierte ich mit Fett ein und begann unter dem Tisch, wo eine alte Pferdedecke die Holzwand abdichtete, wohl verborgen, aber mit gröÃter Mühsal, ein Fluchtloch in die Wand zu sägen. Es war eine unsagbar zeitraubende Angelegenheit. Ich hatte es fast schon geschafft â da hörte ich die Flinte von Paps. Gerade noch gelang es mir, alle Spuren zu entfernen. Dann stand mein Vater missgelaunt in der Hütte und berichtete das Neueste aus dem Dorf: Meine Ziehmutter, die alte Witwe Douglas, hatte einen Prozess angestrengt und wollte mit allen Mitteln erreichen, mich wieder aus den Fängen meines Vaters zu bekommen.
Auch mein Alter wollte prozessieren und Richter Thatcher das Geld abluchsen, das ich ihm für einen Dollar âverkauftâ hatte. Das letztere war mir egal. Aber die Vorstellung, wieder bei der Witwe oder gar bei der langweiligen Miss Watson zu landen, lieà mich schaudern. Als dann mein Alter gar davon sprach, mich weiter flussabwärts in einer anderen Hütte zu verstecken, war ich vollends erledigt. Und während ich für meinen Vater zum Boot ging, um die neugekauften Vorräte in die Blockhütte zu holen, fasste ich einen Entschluss: Bei der nächstbesten Gelegenheit musste ich flüchten! Wollte mir die Flinte und die Angelschnüre klauen, mich in die Wälder verziehen und mich ganz auf eigene Faust durchschlagen â weg von Paps und noch weiter weg von Miss Watson und der Witwe. Aber erst einmal galt es, anderes durchzustehen.
Mein Vater hatte nicht nur einen Fünfzigpfundsack Mehl, eine Speckseite, Munition und Werg
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