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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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verfehlte aber das Ziel um einen Meter, schrie »autsch«, rieb sich den Arm und bat mich, es das nächstemal zu tun. Ich wäre nun für mein Leben gern weg gewesen, ehe ihr Mann einrückte, wollte mir's aber nicht merken lassen. So nahm ich denn das Ding und zielte nach der ersten Ratte, die die Schnauze vorstreckte, und wenn sie dort geblieben wäre, wo sie war, hätte man sie keine gesunde Ratte mehr heißen können. Die Frau meinte, für's erstemal sei's ein Meisterschuß und die nächste Ratte sei ihres Lebens nicht sicher. Sie ging den Klumpen Blei aufzuheben und brachte einen Strang Garn zum Winden mit, wobei ich ihr helfen sollte. Ich streckte die beiden Arme aus, sie legte das Garn darüber und erzählte immer weiter von sich und ihrem Mann. Auf einmal sagte sie: »Gib nur auf die Ratten acht; da, nimm den Bleiklumpen in deinen Schoß, dann hast du ihn zur Hand!«
    Sie ließ den Klumpen richtig in meinen Schoß fallen, und ich preßte die Beine fest zusammen, um ihn zu halten. Sie sprach noch eine Minute weiter, dann hört sie plötzlich auf, sieht mir fest ins Gesicht und sagt, aber gar nicht unfreundlich: »Jetzt komm, gesteh einmal wie du wirklich heißt!« – »W-wieso?«
    »Also wie du in Wahrheit heißt«, fährt sie fort und tippt mir mit dem Finger auf den Arm, »heißt du Bill oder Tom oder Jack? He, heraus mit der Sprache!«
    Ich zitterte und bebte am ganzen Leib und wußte kaum, was ich tun sollte. Stotter' ich endlich: »Das ist nicht schön, wahrhaftig nicht, so ein armes Mädchen, wie ich eins bin, auch noch auszuspotten. Wenn ich Ihnen zur Last falle, will ich –«
    »Nichts willst du, still gesessen, ich tu' dir nichts und ich verrat dich auch nicht. Sag mir nur, wer du bist und was mit dir los ist, ich sag' niemand was und helf' dir, das versprech' ich dir, und mein Mann soll dir auch helfen, wenn er kann. Du bist ganz gewiß ein Lehrling, der irgendwo durchgebrannt ist; gelt, ich hab's getroffen? Das ist aber gar kein Unglück, Kind. Man hat dich gewiß schlecht behandelt, und da hast du dich davongemacht. Nicht so? Komm, komm, ich sag' nichts, erzähl du mir nur alles, komm, sei ein guter Junge!«
    So sagt' ich denn, ich sähe schon, es nütze nichts, noch weiter Komödie zu spielen, und ich wolle alles gestehen, wenn sie ihr Versprechen halte und mich nicht angebe. Dann erzählte ich ihr, daß Vater und Mutter tot seien und das Gesetz mich einem Vormund, einem alten Farmer, dreißig Meilen landeinwärts, zugesprochen habe, und wie er mich mißhandle und hungern lasse, so daß ich beschlossen habe, durchzubrennen. Er habe für ein paar Tage verreisen müssen; diese Gelegenheit habe ich benutzt, mir einige nette Kleider seiner Tochter anzueignen und in denselben das Weite zu suchen. Ich sei nun schon drei Nächte unterwegs. Bei Tag habe ich mich versteckt, und nur des Nachts sei ich gewandert. Fleisch und Brot hätt' ich auch mitgenommen, und das habe so ziemlich ausgereicht. Aber Moore, mein Onkel, würde sich gewiß meiner annehmen und mich vor dem alten Farmer schützen; deshalb sei ich auch hierher nach Goshen gekommen.
    »Goshen, Kind? Aber du bist ja gar nicht in Goshen! Das hier ist ja Petersburg. Goshen liegt ja noch zweieinhalb Stunden flußaufwärts. Wer hat dir denn gesagt, dies sei Goshen?«
    »Ei, ein Mann, den ich ganz in der Frühe traf, gerade ehe ich mich im Wald verkriechen wollte, um dort auszuschlafen. Der sagte, wenn ich an einen Kreuzweg komme, solle ich mich rechts wenden, und dann sei ich in einer Stunde in Goshen.«
    »Der war sicherlich betrunken, denn er hat dich ganz falsch gewiesen, armes Kind!«
    »Ja, er sah beinahe so aus, aber es liegt ja gar nichts dran. Ich mach' mich wieder auf die Beine und will schon vor Tag in Goshen sein, da ist mir nicht bange.«
    »Wart noch einen Moment, ich hol dir noch etwas zu essen, wer weiß, wie du's brauchen kannst!«
    Und sie stopfte mir schnell allerlei zu. Dann fragte sie: »Sag einmal, mit welchem Ende eine liegende Kuh zuerst aufsteht. Und nun antwort schnell ohne dich lange zu besinnen!«
    »Mit dem hinteren! – »Und ein Pferd?«
    »Mit dem vorderen!«
    »Auf welcher Seite eines Baumes wächst am meisten Moos?«
    »Auf der Nordseite!«
    »Und wenn fünfzehn Kühe zusammen weiden, wie viele davon kauen dann wohl ihr Futter und sehen nach derselben Richtung?«
    »Alle fünfzehn!«
    »Gut! Ich glaub's dir jetzt, du hast auf dem Land gelebt, ich dachte, du wolltest mich am Ende noch einmal anführen. Und wie heißt du

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