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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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zu gehen, dann watet durchs Wasser zu mir – das lenkt die Hunde von der Fährte ab.«
    Sie taten's, und als ich sie im Kanu hatte, ging's rasch nach unserm Floß. Nach ungefähr fünf Minuten hörten wir Hunde und Männer in der Ferne lärmen. Sie schienen an den Fluß zu kommen – sehen konnten wir sie nicht – und dort eine Zeitlang herumzulungern. Wir machten uns aus dem Staube, bis wir sie zuletzt nicht mehr hörten. Als wir aus dem Fluß in den Strom liefen, war alles still. Wir erreichten das Floß und versteckten uns für den Tag.
    Einer der Kerle war siebzig Jahre alt oder mehr, hatte einen kahlen Kopf und grauen Vollbart. Er trug einen zerknitterten alten Filz, ein schmutziges baumwollenes Hemd, zerfetzte blaue Hosen in seine Stiefel gestopft und gestrickte Hosenträger – oder vielmehr nur einen. Er trug auf dem Arm einen alten blauen Rock mit Messingknöpfen, und beide Kerle hatten große vollgepfropfte Reisesäcke.
    Der andere war etwa dreißig Jahre alt und war etwas besser gekleidet.
    Nach dem Frühstück machten wir's uns bequem und plauderten; dabei stellte es sich gleich heraus, daß die beiden einander fremd waren.
    »Was hat dich in die Klemme gebracht?« fragte der Kahlkopf den andern Patron.
    »Nun, ich verkaufte einen Stoff, der den Weinstein von den Zähnen nimmt, und die Zahnglasur gewöhnlich auch. Ich blieb eine Nacht länger in dem Städtchen, als mir zuträglich war, und machte mich eben davon, als ich dir über den Weg lief und du mir sagtest, man sei hinter dir her und ich möchte dir helfen. Da sagte ich dir, daß mir's ähnlich ginge und wir zusammenhalten könnten – das ist die ganze Geschichte – was ist deine?«
    »Nun ja, ich hielt eben dort Versammlungen zur Förderung der Mäßigkeit, etwa eine Woche lang, und war der Liebling des schönen Geschlechts: jung und alt, und verdiente nebenbei fünf bis sechs Dollar den Abend; zehn Cents die Person, Kinder und Neger frei. Das Geschäft ging täglich besser. Da verbreitete sich gestern abend irgendwie das Gerücht, daß ich eine Privatflasche bei mir trüge, der ich insgeheim fleißig zuspräche. Ein Neger weckte mich heute früh und sagte mir, daß sich die Leute in aller Stille sammelten und vorhätten, mich mit Hunden und Pferden zu hetzen, nachdem sie mir eine halbe Stunde Vorsprung gegeben, und, wenn meiner habhaft, mich mit Teer und Federn zu überziehen und auf einem Zaunpfahl reiten zu lassen. Ich wartete nicht aufs Frühstück – der Hunger war mir vergangen.«
    »Alter«, sagte der Jüngere, »wir geben ein gutes Doppelgespann ab; was meinst du dazu?«
    »Ich bin nicht abgeneigt. Was ist dein Geschäft – hauptsächlich?«
    »Bin von Haus Buchdrucker; mache etwas in Patentmedizinen; bin Schauspieler, besonders im Trauerspiel; tue auch gelegentlich etwas in Mesmerismus und Phrenologie; zur Abwechslung halte ich Schule, besonders Singen und Geographie; lasse wohl auch einmal einen Vortrag vom Stapel. Oh, ich verstehe mich auf vielerlei – fast auf alles, was mir unter die Hand kommt, nur darf es keine schwere Arbeit sein. Wie steht's mit dir?«
    »Am meisten hab' ich in meinem Leben wohl gedoktert . Das Händeauflegen gelingt mir am besten, bei Krebs, Lähmung und dergleichen; auch versteh' ich mich ziemlich gut aufs Wahrsagen, wenn ich jemand finde, der mich vorher mit den nötigen Tatsachen versorgt. Predigen schlägt auch in mein Fach, besonders bei Bekehrungs-Versammlungen im Freien. Ich kann überhaupt gut herum missionärieren .«
    Für eine Weile sprach keiner, dann seufzte der Jüngere tief auf und schloß mit einem: »Ach!«
    »Na, worüber lachst du?« rief der Kahlkopf.
    »Oh, daß ich solches Leben führen muß und zu solcher Gesellschaft heruntergekommen bin!« Und er wischte sich einen seiner Augenwinkel mit einem Fetzen.
    »Ist dir etwa die Gesellschaft nicht gut genug?« fuhr der Kahlkopf etwas scharf und ärgerlich heraus.
    »Ja, sie ist gut genug für mich, so gut wie ich's verdiene. Wer hat mich so heruntergebracht, nachdem ich so hoch stand? Ich selbst. Ich werfe euch nichts vor, meine Herren – weit entfernt –, niemandem werfe ich etwas vor. Ich bin ganz allein schuld. Mag die kalte Welt ihr Schlimmstes tun, mag das Schicksal ferner mich verfolgen und mir alles entreißen – Freunde, Eigentum, alles –, eines weiß ich: Irgendwo finde ich ein Grab, das kann die Welt mir nicht entreißen, eines Tages werde ich mich niederlegen und alles vergessen, und mein armes gebrochenes Herz wird Ruhe

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