Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
ich geweint haben wie ein kleines Kind, denn als ich dann wieder zu mir kam, hielt mich Jim in den Armen, und mein Gesicht war ganz naß von Tränen und seines auch. Wer von uns beiden sie aber geweint hat, weiß ich nicht recht. – Dann setzten wir uns zusammen, und ich sprudelte und stammelte alle meine Angst, meinen Kummer und meine Verzweiflung hervor, die mich diesen Morgen beim Aufwachen gepackt hatte.
Dann erzählte Jim: »Huck, Herzensjung', weißt du, wie sein kommen Dampfer und sein kommen so ganz schrecklich nah, Jim denken, das beste wäre, sich ins Wasser zu rollen. Jim 's tun un bleiben lang unten, kommen dann mal rauf, hören noch Schiff un gehen gleich wieder nunter. So noch mal un noch mal. Denken, wollen nix gleich fortschwimmen, wollen erst mal sehen nach gute alte Floß. Un wie Jim dann wieder rauf kommen, Jim sehen dicke schwarze Schiffsklumpen schon weit weg un kleine schwarze Klumpen hinter sich. Er schwimmen auf kleine schwarze Klumpen zu, weil er denken, holla, sein am Ende Floß, un richtig, wie er kommen hin, sein warraftig diese Stück Floß, un sein alte gute Hütte noch da un gar nix viel fort. Jim also rein in Hütte.«
»Hast du mich denn gar nicht rufen hören, Jim?« frag' ich, habda drüben am Ufer so schrecklich nach dir gebrüllt!«
»Jim gar nix hören, sein zuviel weit weg! Jim immer denken, Huck sein gewiß am Ufer mit Strömung, un die sein links; so Jim auch kommen links mit Floß un finden Huck dann am Morgen. Un so sein's dann auch gewesen!«
Ja, so war's gewesen, Gott sei Dank! Da waren wir drei denn wieder beisammen. Jim und das Floß und ich. Keine Schlangenhaut hatte uns was anhaben können; aber viel drüber reden taten wir lieber nicht! Jim machte mir ein Frühstück zurecht, und ich ließ mir's köstlich schmecken. Danach machten wir uns an die Ausbesserung unsres Floßes, das fast um die Hälfte kleiner geworden war, aber doch immerhin noch reichlich Raum bot. Vor Abend waren wir fertig damit, und nun konnte das alte Leben wieder losgehen. Als es Nacht wurde, stießen wir vom Ufer; sobald wir weit genug waren, ließen wir das Floß treiben, wie es die Strömung wollte. Dann steckten wir unsere Pfeifchen an, ließen unsere Füße ins Wasser hängen und schwatzten über allerlei. Manchmal hatten wir für längere Zeit den Strom ganz für uns. Drüben waren Ufer und Inseln sichtbar, zuweilen auch ein Licht, gleich einem Fünkchen, das durchs Fenster einer Blockhütte schien – dann und wann auch ein ähnlicher Lichtpunkt auf dem Wasser, von einem Floß oder ähnlichen Fahrzeug herrührend, von denen auch mitunter der Ton einer Geige oder ein Liedchen herüberschallte. Es ist lieblich, so auf einem Floß zu leben. Über uns hatten wir den Himmel voller Sterne. Wir lagen oft auf dem Rücken und schauten zu ihnen empor. Dann sprachen wir darüber, ob sie gemacht worden wären oder nur durch Zufall da seien. Jim meinte das erstere, wogegen ich einwendete, daß es zu lange gedauert hätte, so viele zu machen. Er meinte dann, der Mond könnte sie gelegt haben. Das ließ sich eher hören, und so widersprach ich ihm auch nicht, hatte ich doch gesehen, daß ein bloßer Frosch mindestens so viele Eier legen kann. Besonders beobachteten wir die herabfallenden Sterne, und Jim behauptete, es seien die faulen, die aus dem Nest geschmissen würden.
Nach Mitternacht gingen die Uferbewohner zu Bett, und für zwei bis drei Stunden waren die Ufer schwarz – kein Fünkchen mehr in den Blockhausfenstern. Diese Lichtpunkte waren unsere Uhr. Die ersten, die sich wieder zeigten, bedeuteten die Ankunft des Morgens, dann suchten wir einen Schlupfwinkel auf einer kleinen Insel und legten an, wo's am besten ging.
Eines Morgens bei Tagesanbruch fand ich ein Kanu und fuhr damit von der Insel zum Ufer, dann etwa eine Meile unter Zypressen einen kleinen Fluß hinauf, um zu sehen, ob ich nicht einige Beeren pflücken könnte. Als ich an einem Ort vorüberkam, wo ein Kuhpfad den Fluß berührte, rannten zwei Männer herbei. Ich dachte schon, daß mir's nun an den Kragen gehen würde, denn ich fürchtete, sie wären hinter mir und Jim her. Ich wollte schon umkehren, sie waren aber ganz nahe und baten mich, ihnen das Leben zu retten; sie hätten nichts getan, würden trotzdem verfolgt und Männer mit Hunden wären hinter ihnen her. Sie wollten gleich zu mir in den Nachen springen, aber ich sagte: »Tut's ja nicht. Ich höre weder Pferde noch Hunde. Ihr habt Zeit, durchs Gebüsch etwas stromauf
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