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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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Schicksal. Ich stehe allein in der Welt – laßt mich leiden; ich kann's ertragen.«
    Wir stießen ab, sobald es dunkel genug war. Der König gebot uns, die Mitte des Stromes zu gewinnen und kein Licht zu zeigen, bis wir das Städtchen weit hinter uns hätten. Bald sahen wir ein kleines Häufchen Lichter – das war das Städtchen – und glitten, eine halbe Meile davon, ganz gut vorbei. Als wir etwa eine Meile unterhalb waren, hißten wir unsere Signallaterne auf; und um etwa zehn Uhr gings los: Regen, Wind, Donner, Blitz – hast du was kannst du! Der König gebot uns beiden Wacht zu halten, bis das Wetter sich aufgeklärt hätte; er und der Herzog krochen ins Zelt und lagerten sich für die Nacht. Meine Wacht dauerte bis zwölf; doch ich hätte mich auch sonst nicht zur Ruhe gelegt, selbst wenn ich ein Bett gehabt hätte, denn solch ein Gewitter sieht man nicht jeden Tag, wahrhaftig nicht. Meiner Seel! Wie der Wind dahinkreischte! Und alle Augenblicke kam ein Lichtstrahl, der den weißen Wellenschaum auf eine halbe Meile ringsum erglänzen ließ. Dann sahen die Inseln wie staubig durch den Regen aus, und die Bäume hieben mit ihren Ästen wild um sich in den Wind; dann kam's Sch – Krach! – Bum – bum – bumlerumbumbum – und der Donner grollte und rollte und schwieg. Dann fing dieselbe Geschichte wieder von vorn an und so weiter. Zuweilen spülten mich die Wellen fast vom Floß.
    Endlich ließ der Sturm nach, und sobald ich das erste Licht am Land erblickte, weckte ich Jim, und wir steuerten zu einem guten Versteckplatz für den Tag.
    Nach dem Frühstück holte der König ein altes dreckiges Spiel Karten hervor, und er und der Herzog spielten Sieben auf, zu fünf Cents das Spiel. Als sie dessen müde waren, steckte der Herzog seinen Arm in seinen Reisesack, holte daraus eine Anzahl kleiner gedruckter Anschlagzettel und las laut vor. Auf einem stand: ›Der berühmte Dr. Armand de Montalban aus Paris wird einen Vortrag über Phrenologie halten in ... am ...‹ (Ort und Datum waren freigelassen) ›Eintritt 10 Cents; Untersuchungen pro Person 25 Cents.‹ Der Herzog sagte: »Das bin ich selbst.« In einem andern Zettel war er ›der weltberühmte Shakespeare-Tragöde, Garrick der Jüngere vom Drury-Lane-Theater, London.‹ In anderen Zetteln hatte er eine Menge anderer Namen und tat andere Wunderdinge, wie zum Beispiel Wasser und Gold mit der Wünschelrute finden, Behexungen besprechen und dergleichen mehr. Nach einer Weile sagte er:
    »Aber die histrionische Muse ist meine Wonne. Hast du je die Bretter betreten, Majestät?«
    »Nein«, sprach der König.
    »Dann, o gefallene Größe, sollst du es tun, eh' du drei Tage älter bist«, rief der Herzog. »In dem ersten besten Städtchen, wo wir hinkommen, mieten wir eine Halle und produzieren das Schwertgefecht aus Richard III . und die Balkonszene aus Romeo und Julia . Was sagst du dazu?«
    »Ich bin dabei, bis an den Hals hinein, bei allem, wenn sich's nur bezahlt macht; aber viel verstehe ich nicht vom Schauspielern, hab' auch nicht viel davon gesehen. Ich war zu klein, als mein Papa dergleichen in seinem Palaste hatte. Meinst du, daß du mir's beibringen kannst?«
    »Leicht genug!«
    »Wohl denn. Ich lechze schon nach was Frischem. Fangen wir nur gleich an!«
    So erzählte ihm nun der Herzog ausführlich, wer Romeo war und wer Julia war, und da er selbst immer Romeo gespielt hätte, könnte der König Julia darstellen.
    »Aber«, entgegnete der, »wenn Julia ein so junges Mädchen war, so würde mein abgeschälter Kopf und mein weißer Bart bei ihr doch wohl etwas altertümlich erscheinen.«
    »Nein, sei unbesorgt; diesen Landkaffern wird das nicht auffallen. Und dann wirst du ja auch verkleidet, das macht einen großen Unterschied. Julia auf dem Balkon freut sich des Mondscheins vor dem Schlafengehen, sie hat ihr Nachtgewand und eine faltenreiche Nachthaube auf. Hier sind die Kostüme.«
    Er holte zwei oder drei Kalikodinger hervor und sagte, das seien die mittelalterlichen Rüstungen für Richard III. und den andern Burschen – dann auch ein langes, weißes Nachthemd und eine faltige Nachthaube. Der König war's zufrieden; dann nahm der Herzog sein Buch und las die Rollen in großartigem Stil vor, wobei er herumsprang und wunderliche Gebärden machte, um zu zeigen, wie gespielt werden müsse; dann gab er das Buch dem König zum Auswendiglernen.
    Etwa drei Meilen stromab war ein kleines Städtchen, und nach Mittag sagte der Herzog, es sei ihm eine Idee

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