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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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von Tchibo oder vom örtlichen Wohnraumgestalter kommen sollen.
    Halt! Was ist das jetzt? Erst redet der Brandl 200 Seiten lang davon, wie lebenswichtig es ist, Entscheidungen zu treffen, und jetzt ist es auf einmal lächerlich, sich über Streifen- oder Karo-Optik Gedanken zu machen? Nein. So meine ich das nicht. Ich will es nicht leugnen: Ein hässliches, unpassendes Sofakissen kann einem sensiblen Menschen Magenkrämpfe bereiten. Als Oscar Wilde völlig verarmt im Pariser Hôtel d’Alsace im Sterben lag, schaute er auf die grauenhaft gemusterte Tapete des Zimmers und sagte: »Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich.« Das waren seine letzten Worte.
    Das passende Sofakissen auszuwählen ist immerhin ein Zeichen für einen Gestaltungswillen, der so vielen Menschen fehlt. Worum es mir hier geht, ist die Relation, die Verhältnismäßigkeit.
    Wenn sich vor hundert Jahren jemand entschieden hatte, auszuwandern, war das eine Entscheidung ganz besonderer Tragweite. Sack und Pack auf den Buckel genommen, alles andere zu Geld gemacht. Freunde und Verwandte auf Nimmerwiedersehen hinter sich gelassen – und das hieß wirklich auf Nimmerwiedersehen. Alles in die Waagschale geworfen, alles riskiert. Wer in der Neuen Welt nicht Fuß fassen konnte, war geliefert. – Wenn du heute auswanderst und es nicht schaffst, in Spanien oder auf Bali heimisch zu werden, dann setzt du dich in den nächsten Flieger und bist nach drei Monaten eben wieder zurück in deinem Freundeskreis.
    Das Problem ist: Wenn du nur noch mit Entscheidungen kleinster Größenordnung beschäftigt bist, dann geht dir der Blick auf die größeren Zusammenhänge verloren. Dann vergisst du über all den Joghurt- und Farbe-der-Duftkerzen-Entscheidungen, an die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu denken. Dann sind deine Kanäle zugemüllt.
    Überlegene Stärke oder hektisches Herumlaufen?
    Hast du schon einmal einer Maus bei der Futtersuche zugeschaut? Auf dem Boden dahinwieselnd sucht sie nach Bröseln und Krumen. Geschäftig. Immer unterwegs. Hektisch. Da! Ein Weizenkorn. Hin! Fressen. Schnüffeln. Weiter. Die Knopfaugen immer nur auf das nächste Körnchen gerichtet. Welche Eigenschaften fallen dir zu diesem Bild ein? Überlegene Stärke? Besonnenes Handeln? Oder doch nur hektisches Herumlaufen?
    Diese Hektik, in die wir uns mit dem Alltags-Klein-Klein jeden Tag bringen, wird durch eine weitere Einstellung verstärkt: unsere Ichwill-alles-und-zwar-sofort-Mentalität.
Aber dalli
    China ist riesig. Aber es verfügt über erstaunlich wenig Rohstoffe. Steinkohle, das Aluminium-Erz Bauxit und Seltene Erden – viel mehr ist für die Chinesen innerhalb der Grenzen nicht zu holen. Eisenerz, Kupfer, andere Metalle und vor allem Öl, all das muss die chinesische Wirtschaft in gigantischen Mengen importieren. Keine gute Ausgangslage für das bevölkerungsreichste Land der Welt.
    Gerade deshalb sind die Chinesen seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt unterwegs: Sie kaufen sich in Unternehmen ein, wenn irgend möglich übernehmen sie sie auch. Allein in Kanada hat Peking 8 Milliarden Dollar in die Ausbeutung der dortigen Ölsand-Vorkommen gepumpt. Ein Viertel der kasachischen Ölförderung wird von China kontrolliert. Sie investieren enorme Summen in die Infrastruktur von Entwicklungs- und Schwellenländern. Allein im Jahr 2010 bauten sie in Nigeria vier Ölraffinerien.
    Mittlerweile haben die Chinesen sich in alle Rohstoffmärkte eingekauft und in den rohstoffreichen Ländern positioniert. So haben sie sich den Zugang zu den Bodenschätzen der Welt sichern können. Und wenn es einmal nicht richtig klappt mit der Einkaufstour, dann spielen sie ihren Trumpf aus: Mit einem Anteil von über 90 Prozent dominieren sie den Markt der Seltenen Erden, ohne die kein Handy und kein Flachbildschirm gebaut werden kann. Dann heißt es: »Gib du mir dein Öl, dann bekommst du von mir Lithium und Molybdän.«
    Ein einzelnes Joint Venture mit Kasachstan, Ecuador oder Birma ändert das Kräfteverhältnis im globalen Markt der Rohstoffe nicht. Nur das emsige, strategisch ausgeklügelte Vorgehen der Chinesen über viele Jahre hinweg hat den gewünschten Effekt gebracht: den Platz an den Rohstoff-Töpfen der Welt. Die gigantischen Entwicklungssprünge der letzten Jahre wären nicht möglich gewesen, wenn nicht beizeiten für den Rohstoff-Hunger vorgesorgt worden wäre. Auch in Zukunft wird das Reich der Mitte nichts zu befürchten haben: Werden die Ressourcen knapp, ist China gewiss

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