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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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ich sage es Ihnen.»
    Manne, der Kameramann, verzog das Gesicht und machte eine Handbewegung, als hätte er sich verbrannt. Rikki Schroedel zündete sich eine neue Zigarette an und sah mir ins Gesicht. Ich zögerte. Schade um das schöne Haar.
    «Frau Schroedel. Ich bin nicht Ihr Feind», sagte ich sanft.
    «Das können Sie gar nicht wissen, ob Sie unser Feindsind!», erwiderte Rikki Schroedel nicht unmilitant. «Das gehört ja zur kapitalistischen Ideologie, dass man unbewusst das Geschäft seiner Herren besorgt.» Manne nahm resigniert seine Kamera auf und deutete mit dem Kopf zum Ausgang. Rikki Schroedel inhalierte einen tiefen Zug.
    «Was ist nun? Machen Sie Ihre Aufnahme, so wie ich es gesagt habe – ja oder nein?»
    Sie wollte sich mit dem Rauch ihrer Zigarette eine Strähne aus der Stirn blasen, aber es gelang ihr nicht recht. Die Strähne flatterte hoch und fiel wieder zurück. Leider. Wäre sie doch nur fortgeblasen geblieben. Schöne fette Strähne aus strahlendem Zauberhaar. Rikki Schroedel blies nicht die Strähne, sie blies mein Leben davon. Denn plötzlich sah ich meine höchsteigene Hand ohne weitere Erwägungen in ihr Gesicht fahren und unter die Strähne gleiten, um sie ihr hinter das Ohr zu legen. «Ich werde Ihnen mal helfen», sprach es dazu aus meinem Mund. Ich hatte mich etwas nach vorn gebeugt, und der Geruch ihres Haares schlug in einer kurzen Böe herüber. Triefende belutschistanische Mitternachtswürze. Unzerrauchbar. Von keiner militanten Lebensform zu verspröden. Es war ein Wunder. Es war ein Fehler.
    Dann sackte ich unter einem atemraubenden Schmerz zu Boden und versuchte, mein Gesicht mit den Armen vor Rikkis Schlägen zu schützen, was aber nur dazu führte, dass sie noch hysterischer schrie und auf mich eindrosch, als gelte es das Leben. Ich wurde sie überhaupt nicht los. Mehr noch: Als ich mich auf dem Boden krümmend von ihr wegdrehte, folgte sie mir schreiend mit dem ganzen Oberkörper, nach mir spuckend und beißend. Es war so schnell gar nicht zu begreifen. Dann hörte ich es auch noch poltern, Manne irgendetwas Verzweifeltes rufen und Glas splittern und bekames wirklich mit der Angst zu tun. In meiner Not umklammerte ich Rikki und zog sie an mich, damit sie nicht mehr ausholen konnte, und strampelte mich mit einem Bein zwischen ihre Knie, um einen zweiten Stoß in meine Weichteile zu verhindern. Ich atmete schwer, und plötzlich drang sogar Brandgeruch in meine Nase. In einer plötzlichen Erinnerung an alte Schulhofraufereien bog ich mich weit ins Hohlkreuz und drehte die Wilde mit einem Ruck unter mich. Rikki hielt mit beiden Händen mein Handgelenk fest und fletschte die Zähne. Dann wurde die Tür zum Infoladen aufgestoßen, und alles war vorbei. Ein Dutzend Leute   – Typen aus dem besetzten Haus gegenüber, Passanten mit und ohne Einkaufstüten, zwei Politessen, die gerade die Straße heruntergeschlendert waren – starrten uns an. Einer der jungen Autonomen zog langsam, immer noch ungläubig gaffend, einen Fotoapparat aus seiner Umhängetasche, und dann machte es Blitz.

6
    Wie durch ein Wunder waren Kamera und Kameramann heil geblieben, als Manne rückwärts durch die Scheibe ging. Er war unsanft mit dem Kinnbärtigen zusammengestoßen, als beide hinzusprangen, um Rikki Schroedel und mich auseinanderzureißen. Dann war Manne mit einem Fuß im Lampenkabel hängen geblieben und mit großem Hallo über die Auslage in die Scheibe gefallen. Die Lampe hatte beim Umfallen den Zeitungsständer mitgerissen und die Zeitungen angekokelt. Mehr war eigentlich nicht passiert.Okay, die teuren Spezialleuchten waren hinüber. Aber ansonsten: maximal mittlerer Versicherungsschaden. In Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Bettina hatte sogar mal ein niederländisches Ölbild aus dem 17.   Jahrhundert mit ihrem Kugelschreiber durchstochen, als sie dem Kameramann ein Detail für die Aufnahme zeigen wollte. ‹Also, was soll der Geiz?›, dachte ich. Aber Chef dachte anders.
    Interessiert betrachtete er ein paar Bilder, die der Infoladen auf seine Website gestellt hatte, während ich, die Hände vorm Gemächt verschränkt, vor ihm stand.
    «Sieht ja furchtbar aus. Auf den ersten Blick könnte man es für einen Neonazi-Überfall halten.»
    «Ich muss doch mal bitten. Mein Opa war im KZ.» Mein Opa war nicht im KZ, mein Opa war zwangsweise im Arbeitsdienst, aber das war zu komplex, um es jemandem an den Kopf zu werfen.
    «Du hast recht. Das war kein faschistischer Überfall», sagte Chef.

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