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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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schlurfte hinterdrein.
    «Ihr Körper besteht im Wesentlichen aus einem Skelett, für dessen spezielle Ausmaße Sie sich bitte bei Ihren Eltern bedanken, und ein paar großen und etlichen kleinen Muskelgruppen, für die Sie selbst verantwortlich zeichnen. Heutzutage verkümmern durch die überwiegend sitzende Tätigkeit und den allgemeinen Bewegungsmangel viele funktional wichtige Muskeln, und dann   …», Nancy drehte sich mit Schwung zu mir um, dass ich beinahe auf sie geprallt wäre, und musterte mich mit großen Augen von oben bis unten, «…   sieht man eines Tages aus wie Sie jetzt!»
    Ihre großen Augen waren braun, schokoladenbraun, genauer gesagt: bitterschokoladenbraun, ganz konkret: bitterschokoladenkuvertürebraun, von ebenjenem in grundlose Tiefen hineinschmelzenden Bitterschokoladenkuvertürebraun, das den erwartungsgemäßen Fortgang des Lebens eines Mannes für ein paar äußerst gedehnte Sekunden aufzuhalten imstande ist. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn dieser magische Moment schneller vorbeigegangen wäre, denn ich war unpassend gekleidet.
    «Ist das neu?» Nancy beäugte interessiert mein etwas zu knappes gelbes Radlershirt und meine lila Lauftights, Zeugnisse einer weit zurückliegenden Absicht, mehr Rad zu fahren.
    «Nö.»
    «Ich dachte schon, ich hab einen Trend verpasst. Ganz schön mutig. Die meisten Männer mit so einer Apfelmännchenfigur kommen erst mal in Schlabberzeug hier rein. Aber ich denke, wir nehmen die Pelle als Benchmark. Wenn Sie sich damit wohl fühlen, sind wir am Ziel.»
    «Was muss ich machen?»
    «Was wollen Sie denn haben?»
    «Breite Schultern.»
    «Breite Schultern heißt dicker Hals. Dicker Hals heißt kleiner Kopf. Optisch verkleinert sich der Kopf, wenn der Hals dicker wird. Sie wollen einen kleineren Kopf?»
    «Na ja, nee, eher diese berühmte V-Form . Enge Hüften. Knackiger Bizeps.»
    Nancy zog die Augenbrauen hoch. «Und die Waden?»
    «Was soll mit meinen Waden sein?»
    «Sie haben total dünne Beine. Wollen Sie Ihre tollen Rumpfmuckis dann auf diesen Kranichstelzen spazieren führen?»
    «Ach, ich weiß es doch auch nicht. Was will ich denn? Gut aussehen? Mehr Kraft haben?»
    Plötzlich verschwand das Kesse, Vorwitzige aus ihrem Gesicht. Nancy neigte den Kopf zur Seite und sah mich schräg aus den Augenwinkeln an. «Wirklich?»
    Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, was anders war. Sie stand in meinem Sicherheitsbereich. Normalerweise habe ich ein großes Distanzbedürfnis, und es gehört zu meinen wertvollsten Talenten, in pickepacke vollbesetzten Zügen den Sitzplatz neben mir frei zu halten, indem ich jedem vorbeirumpelnden Bahnreisenden mit der passenden Ekeltat wie dem fiesen Hosenrichten und dem widerlichen Hustenkrampfdas Dazusetzen verleide. Jetzt aber stand Nancy viel zu dicht vor mir herum, und es irritierte mich nicht im Geringsten.
    «Nancy», sagte ich fest. Eigentlich hatte ich das gar nicht vorgehabt. Aber es war, als könnte ich einem Menschen, der mir so nahe stand, nichts sagen, ohne ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Es war gewiss nichts Erotisches. Ich hätte wahrscheinlich auch vom armsteif gebrüllten «Mein Führer!» zum traulichen «Wölfchen!» gewechselt, wenn Hitlers Bürste direkt vor meiner Nase gewesen wäre. («Mein Führer, der Russe steht am Landwehrkanal!» – «Das kann nicht sein!» – «Doch, Wölfchen, echt, es ist aus!») «Nancy», sagte ich, «eigentlich bin ich hier, weil ich Probleme habe.»
    «Ich weiß», sagte Nancy ernst.
    «Woher weißt du das?»
    «Sie haben eine Vormittagskarte. Ein Mann wie Sie sollte keine Vormittagskarte haben.»
    «Ja, das stimmt.»
    Nancy wiegte ihren Kopf von rechts nach links, ohne groß den Hals zu bewegen. Dann kniff sie die Augen ein bisschen zusammen und sagte leise, als verrate sie mir ein großes Geheimnis: «Wenn Sie Probleme haben, machen Sie erst mal Kniebeugen!»
    Dann trat sie einen Schritt zurück und drehte sich wieder um, und gerade als sie sich abwandte, sah ich in ihrem Gesicht ein Lächeln aufziehen.
    Nancy ging dozierend vor mir her durch die Maschinerie und erweckte fingerzeigend etliche Hub- und Druck- und Reißgeräte zum Leben. «Also Kniebeugen, aber mit dem Hintern wirklich runter. Nicht bloß so ’ne Damenknickse. Rudern an der Maschine, gerade aufsetzen, nicht nach hintenlümmeln, keinen Buckel machen. Hier Bankdrücken, mal breit, mal eng, aber maßvoll. Sonst haben Sie schnell mehr Brust als ich.»
    Mitten hinein in meine vom Pendeln

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