Hüftkreisen mit Nancy
abgekühlt haben.»
«Du musst mal zum Arzt mit deinen Redewendungen.»
Ich kochte kurz hoch. Wenn mich etwas wirklich aus der Fassung brachte, war es Stilkritik in erregten Auseinandersetzungen. Geht man davon aus, dass der Großteil aller Tötungsverbrechen im familiären Bereich geschieht, dann waren Bemerkungen wie diese die dunkle Nebenstraße, in der die Wahrscheinlichkeit, dass einem etwas zustieß, schon an Sicherheit grenzte. Nur gut, dass mein strenger Formwille jede Art von Unwillkürlichkeit ausschloss, sonst wäre ich ihr jetzt an die Gurgel gesprungen.
«Es ist ein bisschen was durcheinandergelaufen die letzte Zeit. Es war alles etwas … ungünstig.»
«Ungünstig nennst du das? Ein gesunder Mann in den besten Jahren, in seiner HochLeisTungsZeit, lässt sich aus einer todsicheren Kiste (sie meinte meinen Tagesreporterstatus, der mich frei, aber fest an die
Hiersindwirzuhaus -
Redaktion band) rausmobben, weil er seine Zunge und seine Finger nicht unter Kontrolle hat. Was daran ist, bitte sehr, ungünstig? Das ist nur noch lächerlich!»
Meine Beschwichtigungsneigung neigte sich dem Ende zu. Ich wollte diese Diskussion nicht.
«Vielleicht gehst du mal einen Moment davon aus, dass ich unschuldig bin! Dass mir jemand eine Falle gestellt hat! Du weißt, dass Chef schon seit langem seine Altkader entsorgen will, damit niemand mehr erzählen kann, was für eine blasse Type er früher war.»
«Das macht es doch nicht besser!», rief Dorit lauter, als es ihre eigenen Abendton-Kinderschlafenschon-Gebote erlaubten. «Wer ist denn sonst immer der Geistesriese, der alles durchschaut? Du hast dich vorführen lassen wie ein Schuljunge!»
«Ich habe ein bisschen geträumt, okay! Aber warum? Vielleicht fragst du dich mal, ob meine Aufmerksamkeit gegenüber anderen Damen nicht damit zu tun hat, dass es zu Hause nur noch so vor sich hin klappert.»
In vielen anderen Ehen, oder auch in Ehefilmen, wäre dies ein toller Satz zum Innehalten gewesen. Beginn einer ernsthaften Aussprache. Aber nicht bei Dorit. «Jetzt soll ich schuld sein? Kneif mich mal, denn das glaub ich einfach nicht. Jedes Wochenende zwing ich dich auf die Beine, damit wir was unternehmen, damit du keinen Schimmel ansetzt, jeden Abend frage ich dich, was los war, wie dein Tag war, mache dir Gesprächsangebote und muss mir deine Maulfaulheitengefallen lassen. Ich würde mal sagen, du kriegst mehr Aufmerksamkeit, als du verdienst.»
Es war sinnlos. Sie verstand den Unterschied zwischen Beziehungszauber und Beziehungsarbeit einfach nicht. Aber um ihr den deutlich zu machen, hätte ich selbst zaubern müssen, und das konnte ich leider nicht. Ich schwieg traurig, was bei mir aber wie Trotz aussah. Ich sollte mir mal Masken für meine Gemütszustände anfertigen lassen.
«Aber wie auch immer», pumpte Dorit, schwer herausgefordert von dem unglaublichen Verdacht, eine ungenügende Gattin zu sein, «ich gucke mir das nicht ewig an. Ich gucke mir diesen Ego-Trip nicht ewig an. O nein! Das hier ist eine Familie, in der jeder mitziehen muss. Und wenn du glaubst, eine Extrawurst gebraten zu bekommen, weil du der Mann bist (sie schraubte sich bei «der Mann» sarkastisch in die Höhe) oder gerade jetzt eine Midlife-Krise markieren musst, wo es bei mir auf Arbeit drunter und drüber geht, dann sage ich dir klipp und klar, wird es für dich und mich kein Happy End geben, mein Lieber.»
Anders, als es ihre Worte vermuten ließen, sah Dorit eher verzweifelt aus. Sie hatte sich weit vorgewagt. Sie hatte die böse Exit-Option erwähnt. Mit dem Ende der Beziehung zu drohen ist eine Vorgehensweise mit einem ziemlich paradoxen Selbsterfüllungspotential. Irgendwann muss man wirklich Schluss machen, und sei es auch nur, um glaubwürdig zu bleiben. Wobei einem die Glaubwürdigkeit in den Augen des dann ja immerhin Expartners eigentlich völlig schnuppe sein sollte.
«Dorit, glaubst du, dass ich solchen Erpressungen nachgebe? Glaubst du, dass ich mit dir lebe, weil ich Angst vorm Alleinsein habe?» Ich war fast ruhig geblieben undfand gerade den letzten Satz ausgesprochen gelungen. Meine Hände hielten meine Knie fest, sodass ich selbst nicht sehen konnte, ob sie zitterten. Hier saß ein Mann auf dem Thron der Wahrheit. So viel demonstrative Gelassenheit musste Dorit doch verunsichern! Allein: Sie tat es nicht. Dorit hatte die Contenance verloren, und dafür hasste sie sich. Deshalb war es nur gerecht, wenn ich mich auch hasste. «Du kannst schon mal prüfen, ob du
Weitere Kostenlose Bücher