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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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dem Schild am Ende des Bahnsteigs und sah sie kommen. Naturstolz. Offener Mantel. Haarspraylocke à la
The Cure
. Unter dem lässigen Dark-Wave-Outfit aber ein ausgesprochener Sportlerkörper. Brust raus mit B-Körbchen . Eine Hebammentasche an der Seite. Die Menschen um sie herum – nichts als Bevölkerung. Dorit sah das Schild und hob eine Augenbraue. Ein Zeichen, das ich mittlerweile gut deuten kann. Es heißt: Nicht gut.
    «Martin lässt sich entschuldigen», sprach ich, als sie vor mir stand, «er hat es nicht geschafft.»
    «Das denke ich auch», sagte Dorit vieldeutig.
    «Ich bin sein Freund Max», sagte ich und reichte ihr unter dem Schild den Blumenstrauß hervor.
    «Du hast ja schöne Freunde», sagte Dorit, und mir fiel auf, dass ich viele schöne Freunde hatte, aber keine einzige schöne Freundin. Lust auf Verrat umschlich mich. Ich nahm ihr die Hebammentasche ab, was sie erst nicht wollte, aber dann doch ganz lustig und sogar «old school» fand. Wir gingen zu meinem alten, butterweich gefederten Opel Ascona Automatik, und ich machte ihr Platz auf dem Beifahrersitz, indem ich die Zeitungen, Zigarettenschachteln, Coladosen und Strafzettel nach hinten schaufelte. Als wir saßen, sagte ich, dass ich sie jetzt eigentlich in Martins kalte Wohnung «schaffen» solle und dass sie dort «ein paar Stunden» auf ihn zu warten habe, aber   … (Dorit siedete leise vor sich hin)   … ich persönlich würde ihr lieber die Zeit vertreiben und ihr ein bisschen die Stadt zeigen.
    «Na denn, mach mal», sagte Dorit und schraubte die Sitzlehne ein Stück nach hinten. Ich zeigte ihr, wo vor der Wende die illegalen Hausbars und Bohème-Salons gewesenwaren, in denen verbotene Liedermacher verbotene Lieder zur gerade noch erlaubten Gitarre gesungen hatten. Früher hatte ich mit diesem Geheimwissen die eine oder andere Frauensperson beeindruckt und war ein wenig beleidigt, weil Dorit es nur mäßig spannend fand. Dann führte ich sie in den Park, was sie mochte, und wir redeten über Bücher, Filme und Musik und stellten dabei sachlich fest, dass wir praktisch überhaupt keine Gemeinsamkeiten hatten. Wir fuhren Tretboot und diskutierten, wie und wo man «heutzutage» eine Familie gründen solle und nach welchen Prinzipien sie zu führen sei. Da war es, als würden wir uns gegenseitig das Wort aus dem Mund nehmen, so einig waren wir. Liebevolle, aber strenge Eltern würden wir sein, und es würde gegessen, was auf den Tisch kommt, und sei es auch nur, um das Essen zu ehren. Jawohl. Wir kamen gut voran mit dem Tretboot. Dorit hatte einen ziemlich kräftigen Tritt, möglicherweise sogar kräftiger als meiner. Als es Abend wurde, fuhr ich sie langsam und auf Umwegen durch die Stadt zu Martins Wohnung. Ich redete viel, Dorit weniger, aber sie schien mir trotzdem nicht abweisend zu sein. Dorit hatte ein schönes freches Lächeln, aber eine zugegebenermaßen ordinäre Lache. Als wir schließlich bei Martins Adresse hielten, nahm ich meinen Mut zusammen und sagte, dass der Nachmittag sehr schön gewesen sei, sogar schöner als andere schöne Nachmittage, vielleicht sogar einer der   … und   … ob sie wirklich jetzt da hochgehen wolle. Dorit tätschelte mein Knie, was ich damals nicht mochte und auch heute nicht ertrage, und sagte, ja, sie gehe jetzt da hoch, aber ich könne ja noch ein bisschen mitkommen. Wir stiegen die fünf Stockwerke hoch zu Martins Wohnung. Es war wirklich kalt da drin. Martins Wohnungwar eigentlich ein ausgebauter Dachboden, geräumig wie ein Loft und karg möbliert. Man musste zwei Meter um die Ecke gehen, um das zentrale Möbel zu sehen. Ein dreistufiges Podestbett. Es stand mitten im Raum, sehr breit und selbst gezimmert. Kein Bett, eine Bühne. Wieder hob Dorit die Augenbraue. «Das ist ja ein Prachtstück!», sagte sie spitz und ging einmal drum herum. Links und rechts dahinter standen mannshohe Boxen zur Beschallung. Halleluja. Dorit hatte in der Dachschräge neben der Anlage seine Schallplattensammlung entdeckt und blätterte sich durch die Hüllen, um zu sehen, was denn der Martin für einer wäre. Offenbar einer mit Glück bei Frauen. Ich fragte mich, bei welcher Mugge sie es tun würden. Der Gedanke verursachte mir Schmerzen. Ich sagte, so lässig ich konnte, dass ich jetzt gehen werde, sie könne es sich «ja schon mal bequem machen». Dorit antwortete nichts. Stattdessen nahm sie eine Platte aus der Hülle, stellte den Spieler an, legte sie mit einer gekonnten Drehung auf den Teller und

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