Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
Vom Netzwerk:
gold-blaue Lider. Eisvogelfarben.
    «Nun weich doch nicht schon wieder zurück. Riskier doch mal was!»
    «Dreihundert!» Ich hatte es eiliger hervorgestoßen als beabsichtigt.
    «Okay. Hand drauf!», sagte Nancy. Wir reichten uns über den Tresen die Hände. Sie hatte eine kleine, überraschend harte Mädchenhand mit einem etwas dicken Daumen. «Besorg eine Location, einen Saal oder so was, und sag mir, wann und wo. Bezahlt wird vorher.»

16
    Das Glücksgefühl, das mich durchfunkelte, als ich das
Fitness- und Kampfsportstudio Niekisch/​Zentrum für Realistische Selbstverteidigung
verließ, war überwältigend. Ich platzte beinahe vor Spannung. Ich tänzelte über den Gehsteig. Ich schleuderte meine Sporttasche herum. Ich zwinkerte Kindern zu, die sich sofort hinter ihren Müttern versteckten, weil sie instinktiv spürten, dass so viel Lebensfreude eigentlich in klinische Obhut gehört. Aber egal. Ich hatte das Glück gefunden und konnte es nicht für mich behalten. Ich würde mein Leben mit Schönheit spicken wie einen fetten Sonntagsbraten. Leichtfüßig lief ich über die Straße und sprang über das Geländer an der Haltestelle. Fest griff meine Hand in die Stange, locker schwangen meine Füße hinüber. Noch vor wenigen Wochen hätte ich mich dabei so auf die Fresse gelegt, dass noch Stunden später die Kreuzung mit Polizei und Krankenwagen zugestellt gewesen wäre. Aber seit heute war das anders. Ich hatte die Hürde übersprungen, die das Land der ungenutzten Möglichkeiten vom Land der genutzten Möglichkeiten trennte. Hinter mir der Frust und das trübe Schweigen. Das Zerrspiegelkabinett meiner Beziehung zu Dorit. Die groteske Erziehungsanstalt meiner Ehe.
    Ich hiphopte in die Straßenbahn, drehte mich gekonnt um meine eigene Achse und catwalkte, mit jeweils zwei Fingern auf die Mitreisenden links und rechts zeigend, zum Fahrscheinautomaten. Zwei Aktentaschen-auf-dem-Schoß-Halter sahen einander fragend an, unsicher, ob dies schon das Verhalten war, bei dem man «Zivilcourage zeigen» sollte. Drei picklige pinke Mädchen mit Speckröllchen am Hosenbund von zu viel Tiefkühlpizza steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Der Fahrscheinautomat groovte mit undspuckte das Ticket aus. Ich hängte mich an die Griffstange und machte unter Gorillageräuschen Klimmzüge. Eine dicke Frau hob anerkennend die Augenbrauen. Die beiden Männer, sicher aus dem Privatkundenbereich einer Großbank, mit feuchten Händen am Henkel und dem Aktentaschenboden auf den Hoden, rechneten vermutlich gerade ihre Körperkraft gegen meine und beschlossen, so lange wie möglich untätig zu bleiben. Natürlich nur, weil sie Kinder hatten. Ich schickte ihnen ein paar Luftküsse. Mein Leben war dabei, abzulegen. Bye-bye, Bodenpersonal. Guckt ihr mal weiter Flachbildfernsehen in euren teuren Sitzgruppen und bildet euch Meinungen über den neuen Geschmack gefüllter Gummibärchen. Ich habe mir gerade den umwerfendsten Hüftschwung dieses Jahrhunderts erworben. Völlig singulär und leider, leider nicht für die Öffentlichkeit. Das wird es nur ein einziges Mal geben, und ihr seid nicht dabei. Geht ihr mal hübsch zum
Rock am Ring
oder latscht den Jakosbweg lang, auf der für Touristen empfohlenen Schondistanz. Ich guck mir lieber privatissimo Nancy zwischen Seidenreiherfedern an. Da hab ich was, das mir das Leben wärmer und das Sterben leichter macht.
    Draußen fuhr ein Sonnenstudio vorbei, das mit Haarentfernung warb. Gute Idee. Ich sprang bei der nächsten Haltestelle raus. Dann ließ ich mir die Wolle vom Rücken reißen und mich salben, stöhnte «Tiefer, Baby!», bis mir die überreife Sonnenstudio-Inhaberin mit der elektrogebräunten Ledermimik auf den Hintern klapste. Ich galoppierte durch die Seitenstraßen zum Zentrum, enterte einen rot-weiß-grün gestrichenen Schuhladen und erstand ein Paar anschmiegsamster Zierstiefel, die so spitz waren, dass mir ganz Berlusconi wurde. Lief weiter, kaufte eine Hose, in der mein Hinternendlich die Beachtung fand, die er schon lange verdiente. Dazu noch ein Hemd in «Flamingo», wie mir der stark parfümierte Verkäufer mitteilte. Ach, wenn Rodscher mich jetzt sehen könnte! Er würde auf der Stelle schwul werden und sich dann mit den eigenen Händen erwürgen. Ich ließ das Zeug gleich an.
    Das Kaufhaus hatte im Erdgeschoss eine Cafeteria, und ich beschloss, auf das fürstlichste zu pausieren. Mit Latte Tall und Eierschecke. Es war kurz vor elf, als ich vom Buffet kam. In der Cafeteria war

Weitere Kostenlose Bücher