Hüftkreisen mit Nancy
Sie haben richtig gehört: Akzeptanz-Tanz. Und zwar mit einer richtigen Tänzerin. Die Tänzerin tanzt, und von Mal zu Mal hat sie weniger an. Der Klient muss lernen, sie jedes Mal wieder neu und vollständig als Persönlichkeit zu respektieren», fasste ich mein Leben in der jüngeren Vergangenheit zusammen.
«Und am Ende ist sie nackt?», fragte Frau Lieselotte Dittrich, der die Kaffeetasse in halber Höhe vor dem Mund eingefroren war.
«Ja», lehnte ich mich zufrieden zurück, «nackt, aber respektiert!» Ich nahm meine Kuchengabel und trennte mir ein Stück Eierschecke ab. «Guten Appetit, die Damen!»
«Na, ich würde mich jedenfalls freuen, Sie wieder im Senderzu sehen», sagte Siegrun Wedemeyer das entscheidende Wort. Die beiden anderen Damen diskutierten leise das verbindende Element zu alten Bauchtanztraditionen und konfrontationstherapeutische Ansätze, die in diese Variante mit eingeflossen wären.
An diesem Abend, dem letzten vor Dorits Rückkehr, saß ich im Wohnzimmer vor dem kalten Fernseher und ging in Gedanken durch die Stadt. Ich musste einen Ort finden, der den Ansprüchen einer privaten Burlesque-Show genügte. Auch jede Menge Nebenfragen waren zu klären. War großes Licht erforderlich? Showtreppe? Requisiten? Umkleidemöglichkeiten? Duschen? Hinzu kam: Mein Budget war angespannt. Ich hatte trotz meiner sparsamen Lebensführung etwa drei Viertel meines Geldes aufgebraucht. Nancy, oder besser mein Begehren (denn ich würde nie erfahren, ob sie nicht auch für einen Fuffi getanzt hätte), war nicht gerade billig gewesen, und ich konnte nicht auch noch Saalmiete oder Veranstaltungstechnik berappen. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass der organisatorische Aufwand, den ich hier gerade betrieb, ein Vielfaches dessen war, was Dorit glücklich gemacht hätte. Während ich hier quasi mit einem mittelgroßen Filmset operierte, hätte ich problemlos mit Mopp und Wischeimer Dorits Zuneigung aufhelfen können. Aber genau das wollte ich eben nicht. Frauen und Personalchefs werden nie begreifen, dass Männer einen Ekel vor zu geringen Aufgaben haben. Männer weigern sich bis zur Scheidungsklage, drei abgebrannte Streichhölzer unter dem Herd hervorzufegen, während sie der Aufforderung, aus drei Millionen Streichhölzern das Reiterstandbild vorm Hannoveraner Hauptbahnhof nachzubauen, sofort mit Interesse und Tatkraft nachkommen.Der ganze Sozialismus ist ohne die männliche Begeisterung für gigantischen Unfug überhaupt nicht zu begreifen. Unter diesen Erwägungen fiel mein Blick auf ein Immobilien-Exposé zwischen den Fernsehillustrierten und Einrichtungszeitschriften. Die Wiegand’sche Fabrik. Ich erinnerte mich. Dorit hatte einen Prospektfilm über die Immobilie drehen sollen, und wir waren im Frühjahr einmal zum Sonntagsausflug dort gewesen. Der übliche Loftkram für junge urbane Kreativlinge. Hatte sich dann zerschlagen, weil der Finanzier pleite ging. Doch das Objekt hatte etwas, was es von anderen unterschied: einen Umlaufaufzug, einen Paternoster. Mascha war noch nie in einem Paternoster gefahren und drängelte Dorit. Die telefonierte schließlich irgendeinen Hausmeister heran, der das Ungetüm anschaltete, und grinsend und winkend war Mascha mit der Mama drei Runden herumgefahren.
«Bingo!», sagte ich laut und wurde gleichzeitig rot, weil ich einen Ort einstiger Familienheiterkeit zum Boudoir meiner privaten Schmacht umfunktionieren wollte. Unruhig machte ich mich auf, in der Wohnung nach etwas Alkoholischem zu suchen. Das Einzige, was ich fand, war eine angebrochene Flasche Eierlikör samt Waffelbechern. Ich goss mir einen voll und stellte mich nippend und sinnend ans Fenster. Draußen wackelte eine alte Frau mit ihrem alten Hund vorbei. Der Hund blieb stehen und pinkelte mürrisch an die Laterne. Die Frau musste warten, bis sie wieder zu Hause waren. Ich leckte den letzten Rest Eierlikör aus dem Waffelbecher und knusperte ihn weg. Nicht eben die männlichste Art, einen Durchbruch zu feiern, aber außer mir war ja keiner da. Männer gibt es doch eigentlich sowieso nur, wenn jemand anwesend ist.
In der Nacht hatte ich einen seltsamen Albtraum. Ich schwebte im blauen Wasser eines Sees und war dabei, zu ertrinken. Meine Füße steckten in einer Kette, und die Kette hielt mich zwei Meter unter der Wasseroberfläche fest. Ich versuchte alles, um mich zu befreien, aber es war nichts zu machen. Es war einer dieser furchtbar realen Albträume, in denen man nicht ein einziges gnädiges
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