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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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verurteilen. Wir machen eine saubere Aktion.› Also nix mit Milchprodukten und Gelatine.»
    «Vegane Schwarzwälder Kirschtorte? Klingt irgendwie krank und gesund zugleich.» Niemand soll sagen, ich hätte nicht versucht, Vegetarier oder Veganer ernst zu nehmen, aber diese Vorgehensweise, den ganzen Pflanzenkram in Tofu-Würstchen, Gemüse-Burger, vegane Sülzen oder eben auch Torten zu verkleiden, schien mir eine viel intensivere Verbindung zur Fleischwelt zu verraten, als den Apostaten lieb war. Nancy hatte recht. Man sollte sich nichts verbieten. Man sollte genauer fühlen.
    «Vegane Sahne hält aber nicht so gut zusammen wie richtige Sahne», seufzte Rikki.
    «Sie wollten sagen, falsche Sahne! Richtige Sahne wäre ja vegane Sahne.»
    «Sie können es nicht lassen, wie? Jedenfalls bröckelte die Torte schon mächtig, als ich aufs Podium ging. Vielleicht hätten wir nicht auch noch auf Zucker verzichten sollen. Stattdessen haben wir Stevia genommen, aber Stevia und Sojasahne binden irgendwie gar nicht», sinnierte Rikki weiter, «trotz Kokosfett. Und Kokosfett war schon ein ziemlich fauler Kompromiss. Weil für Kokospalmen nämlich Urwald gero   …»
    «Sie sind also unzufrieden?»
    «Unzufrieden? Es gab einen Riesenterz! Alle haben mich verantwortlich gemacht. Weil ich auf der veganen Torte bestanden habe. Weil ich prinzipienfest war. Eine missglückte Tortung, sage ich Ihnen, ist die größte Scheiße, die es überhaupt gibt. Die Kamera war die ganze Zeit dicht auf dem Ministerpräsidenten. Man sieht nur, wie er einmal ein bisschen zuckt und dann blöd guckt. Man weiß gar nicht, warum. Alles spielte sich im Off ab. Wir wollten eine Botschaft in die Mainstream-Medien pushen, und dann das. Das war voll umsonst.»
    Es war Zeit, mit meinem Anliegen herauszurücken. Ich machte mir bald vor Angst und Freude gleichermaßen in die Hose. Es war eine Freitat von nietzscheanischem Format. Reines Menschentum. Freier Wille. Ich würde es aussprechen, und die Welt würde nach links oder rechts abbiegen, aber es würde in jedem Fall nicht «weitergehen wie bisher». Cool!
    «Rikki, lassen Sie mich ganz offen sein. Ich bin kein Freund der Weltrevolution. Aber ich würde Ihnen gern helfen, Ihre Botschaften in die Mainstream-Medien zu pushen.
    Ihre Botschaften interessieren mich nicht, die Botschaften der meisten Menschen in den Medien interessieren mich nicht, wie Sie ganz richtig eingeschätzt haben. Aber ich habe ein bisschen Ahnung, wie man in die Medien kommt, und ich würde Ihnen helfen beim nächsten Mal.»
    «Warum? Sind Sie Masochist? Haben Sie ein Helfersyndrom? Ich habe Ihnen doch gesagt: Sie hatten damit nichts zu tun. Ich habe Ihnen in die Weichteile getreten, weil Sie den väterlichen Macker spielen wollten. Das war Scheiße, aber auch schon alles. Wir sind quitt!»
    «Nein, so ist das auch nicht gemeint. Im Gegenteil. Ich will was von Ihnen, deswegen mein Vorschlag. Ich helfe Ihnen, Sie helfen mir.»
    «Geheimdienst!», verschlug es Rikki den Atem, sie schnellte in die Höhe. «Sie sind ein Schnüffler vom Verfassungsschutz, und wir sollen mit irgendeinem Ding den Staat provozieren, damit er zurückschlagen kann. Dass ich nicht gleich drauf gekommen bin. Deshalb das ganze Rumgeschmiere.» Sie raufte sich im Entsetzen ihrer Erkenntnis die Haare und sah sich fassungslos um. Aber diese völlig fehlgehende Vermutung war nur eine Vorübung im Vergleich zu dem, was sie jetzt wirklich zu verarbeiten hatte.
    «Ich möchte Sie föhnen, Rikki!»
    Das war zu viel. Rikki schrie. Nein, nicht sofort. Zuerst stand ihr drei Sekunden lang der Mund offen in einer urtümlichen, Cäsar-an-den-Iden-des-März-haften Verblüffung, dann kreischte sie los. Im Handumdrehen füllte sich der kleine Raum mit der gesamten autonomen Hausgemeinschaft. Nur die Tatsache, dass Rikki schreikrampfend, die Arme steif an den Seiten, die Hände abgespreizt, in der Zimmermitte stand und ich dagegen brav, wenn auch etwas konsterniert auf der Bettkante saß, verhinderte, dass der Auflauf sofort in Tätlichkeiten ausbrach. Dann war sie von einem Moment auf den anderen still.
    «Er will mich   …», schnaufte Rikki außer Atem, und ich hoffte im Interesse meines Wohlergehens, dass sie alles richtig verstanden hatte, «…   föhnen!» Die anderen, darunter mehrjährige Rastalocken, selbstbewusste und formschöne Frauenglatzen, aber auch normales Studentenvolk, hörten ungläubig in das Wort hinein. «Föhnen?»
    «Ich bin Journalist. Fernsehjournalist,

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