Huehnerhoelle
fort.
»Bruno? Wieso ist das wichtig?«, konterte die Wirtin und runzelte die Stirn. Ihre Antwort kam zögerlich: »Eine gute halbe Stunde vor seinem Vater hat Bruno den Schankraum verlassen.«
»Woher wissen Sie das so genau?«, fasste Hufeland nach. Er hatte sein Essbesteck aus der Hand gelegt und musterte sie skeptisch.
Sie hob leicht genervt die gekreuzten, auf dem Tisch abgelegten kräftigen Unterarme. »Unmittelbar vor Bruno ist Hanne Spieker, eine unserer Kellnerinnen, gegangen. Hanne hatte frei ab acht, ging aber schon zehn Minuten früher. Gut, sie war schon seit dem Mittag im Dienst. Aber Barbara, unsere zweite Tresenkraft, war noch nicht da; die hat auch Familie, kommt aber immer pünktlich um acht und stürzt sich gleich ins Getümmel. Wir gucken normalerweise nicht auf die Uhr, mein Mann und ich, wann unsere Angestellten gehen. (Was hiermit widerlegt war.) Aber ich bin ja oft noch in der Küche und zeitweilig bei unseren Hotelgästen unterwegs. Wenn da nicht alle hundertprozentig mitspielen, kann es schon eng werden, besonders bei den Ãbergaben.« Sie sah immer noch sehr verärgert aus.
»Das heiÃt, zehn vor acht ging Ihre Kellnerin, Hanne Spieker, und kurz darauf war auch Bruno Kock fort«, fasste Hufeland zusammen, der den Kampf mit dem Strammen Max wieder aufgenommen hatte.
»Richtig«, bestätigte die Wirtin. »Im Schankraum habe ich ihn danach jedenfalls nicht mehr gesehen.«
»Und Milhelm Kock?«, fragte Kevin mit einem Mund voll Gemüseschnitzel. »Mwo mwar der?«
Sie zuckte die massigen Schultern. »Stritt sich wohl wieder mit ein paar Leuten, die an ihrem Stammtisch Karten spielten. Das probierte er schon den ganzen Abend.«
»Wer genau stritt sich mit ihm?«, wollte Hufeland wissen und beendete die Mahlzeit, indem er das Besteck ablegte und sich den Mund mit der Serviette abwischte.
Die Wirtin blickte ihn erschrocken an. »Nicht dass Sie denen einen Strick daraus drehen. Das sind alles unbescholtene, ehrliche Leute.«
»Frau Kock, wir drehen niemandem einen Strick, wir ermitteln in einem Mordfall. Bitte beantworten Sie nur meine Frage: Wer waren die Kartenspieler?«, insistierte Hufeland.
Sie gab sich geschlagen und musste auch nicht lang überlegen: »Unser Leichwart war dabei, also Teichwart, der Fotograf. Dann der Paul, Paul Lanfermann â¦Â«
»Was denn, der Friedhofsgärtner?«
»Genau. AuÃerdem Wagner, na, den kennen Sie ja.«
»Polizeiobermeister Wagner?«, entfuhr es Kevin.
Sie nickte. »Und Kamphues, unser Bürgermeister. Ich glaube, mit dem stritt Wilhelm sich hauptsächlich.«
»Worum ging es dabei?«, fragte Hufeland.
»Das müssen Sie ihn schon selber fragen«, sagte sie und setzte eine Miene auf, die ungefähr besagte, dass sie schlieÃlich nicht der Ortsspitzel vom Dienst sei. Eine Einstellung, grundsätzlich nicht unsympathisch. Bloà unpraktisch, wenn man zufällig Kriminalbeamter war.
Hufelands Handy klingelte. Es war Wagner, dem er seine Nummer gegeben hatte. Wenn man den Teufel nennt, kommt er gârennt. Aufgeregt und ohne Einleitung hörte er den Ãrtlichen in den Hörer brüllen: »Das müssen Sie sich ansehen, Herr Kommissar!«
»Was muss ich sehen, Wagner?«
»Na, das hier. Vor Kocks Wohnhaus. Die Silke, also die Witwe, hat mich vorhin angerufen.«
»Ist sie denn schon wieder nüchtern?«, erkundigte sich Hufeland.
»Geht so.«
»Was ist denn los?«
»Kommen Sie halt her, schauen Sie sichâs an, Herr Kommissar. Hier braut sich was zusammen, glaube ich.«
»Wir sind gleich bei Ihnen, Wagner.« Hufeland sprang auf und erntete einen entgeisterten Blick seines Azubis, der sich gerade über seinen Apfelkuchen hermachen wollte. »Auf gehtâs, Kevin. Zur Witwe Bolte!«
»Und die Rechnung?«, rief ihnen die Wirtin erstaunt hinterher.
»Später!«, versprach Hufeland und boxte für sich und Kevin eine Schneise durch den Gästepulk im Tresenraum. Tief in seinem Unterleib, das spürte er diffus, bereitete sich eine böse Schmerzwelle auf den finalen Angriff vor.
27
Die Szenerie vor der Kockâschen Villa war nahezu unverändert im Vergleich zu ihrem Besuch am Vormittag. Die toten braunen Augen der Bleiglasfenster, der Zuckerkies des Vorgartens, die kugelrunden Bäumchen mit den immergrünen Pudelfrisuren im exakt bemessenen Rasen, die
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