Huehnerhoelle
Kopf. »Die Kameras sind tot. Der Computer drinnen im Haus zeichnet nichts auf. Das Programm, sagt Silke, ist nicht besonders kompatibel mit den Kameras. War es von Anfang an nicht. Die Kameras dienten lediglich zur Abschreckung. Aber Wilhelm hielt das für ausreichend. In Vennebeck passiert nix, hat er gesagt. Sagt jedenfalls die Silke. Und damit hatte er ja auch recht.« Der Polizist streckte sich in seiner blau-weiÃen Uniform, um anzudeuten, wem die Ruhe und Ordnung in Vennebeck vor allem zu verdanken sei.
»Bis gestern hatte er recht«, konnte sich Kevin nicht verkneifen. Eine Bemerkung, die dem Ãrtlichen sogleich wieder die Luft herauslieÃ.
»Wie gehtâs der Witwe jetzt?«, fragte Hufeland.
»Sie hat sich hingelegt. Aber Sie hörenâs ja«, antwortete Wagner.
In der Tat, das Heulen der Kojotin aus der Tiefe des Hauses war zwar schwächer geworden, aber noch gut zu vernehmen.
»Will sie Anzeige erstatten?«
»Sie will sichâs überlegen.«
»Gut, Wagner«, sagte Hufeland. »Machen Sie schnell noch ein paar Fotos von der Sache. Dann kann Frau Kock die ScheuÃlichkeit wegräumen lassen.«
»Fotos sind schon gemacht«, verkündete Wagner stolz. »Ich hab unseren Leichwart hergebeten, damit er sie gleich â¦Â« In derselben Sekunde begriff er, dass er sich diesen Hinweis besser geschenkt hätte.
Hufeland starrte ihn an wie einen Wahnsinnigen: »Sie haben was getan, Wagner? Den Fotografen von der WUZ um ein paar Fotos von dem Dreckhaufen hier gebeten?«
»Na ja, so machen wir das immer in Vennebeck. Eine Hand hilft der anderen. Ich geb dem Leichwart hin und wieder einen Tipp. Eingeworfene Fensterscheiben im Vereinslokal nach einem FuÃballspiel, zum Beispiel. Oder gesprengte Mülltonnen am Neujahrstag. So kleine Sachen eben. Und er organisiert der Polizeistation ein Probeabo der WUZ mit Laufzeitverlängerung bis ultimo. Was ist dabei?«
»Aber Sie sind die örtliche Polizeistation, Herr Wagner!«, ereiferte sich Kevin wie ein echter Azubi. »Ihnen persönlich spendiert er sein Zeitungsabo.«
Wagner zuckte lässig die Schultern. Oder vermutlich sollte es lässig aussehen.
»Polizeiobermeister Wagner«, platzte jetzt auch Hufeland der Kragen, »wir befinden uns mitten in einer Mordermittlung! Hier handelt es sich nicht um ein paar geklaute Hühner oder vom Nachbarhund gerissene Kaninchen, die hinterher malerisch für den Ortsfotografen im Garten des Pfarrers liegen!«
»Wieso beim Pfarrer?«
»Herrje, Wagner!«, fauchte Hufeland ihn an. »Stellen Sie sich doch nicht künstlich dumm. Sonst müssen wir annehmen, dass Sie vielleicht selbst in den Fall verwickelt sind.«
»Was denn, ich? Was habe ich mit dem Fall zu tun?«, stierte Wagner ihn entgeistert an.
»Ja, Sie, Wagner!«, kläffte Hufeland ihn an. »Wieso haben Sie uns nicht gesagt, dass Sie noch gestern Abend Zeuge waren, wie Kock sich im Brooker Hof mit einem halben Dutzend Stammtischbrüdern angelegt hat? Darunter auch Sie, Wagner?!«
Wagner griff sich an den Mützenschirm, rückte ihn nervös vor und zurück und setzte eine entrüstete Miene auf. »Herrgott, der Kock lag mit dem ganzen Ort im Streit wegen seiner Hühnermast. Wieso soll es da eine Rolle spielen, wenn er sich nebenbei auch noch in der Kneipe herumstreitet?«
»Nebenbei?« Hufeland schnappte nach Luft. »Was heiÃt hier nebenbei ! Es war verdammt noch mal der Tatabend, Wagner. Unmittelbar danach hat Kock die Kneipe verlassen, Mensch. Ob dieser Streit nebensächlich war, überlassen Sie gefällig uns von der Kripo, verstanden!«
Hach, er hatte die Schnauze gestrichen voll von diesen selbstherrlichen, störrischen Wagners: Ortspolizisten, die sich der Kripo gegenüber aufführten, als würde ihnen der Ort, für den sie zuständig waren, persönlich gehören. Er musste tief ein- und ausatmen, um wieder die Kontrolle über sich und die Situation zu bekommen. Doch er spürte bereits, wie die Welle zurückkam. Ein Tsunami aus Schmerz rollte durch seinen Unterleib und brach sich weit schlimmer als vorhin zwischen seinen Beinen. Ihm wurde schwarz vor Augen, er kippte vornüber und fiel Wagner direkt in die vor Schreck geweiteten Arme.
28
Zwei, drei Sekunden lang hing Hufeland dem Ãrtlichen am Hals wie eine Seemannsbraut, dann sprang Kevin Kuczmanik hinzu und griff seinem
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