Hüte dich vor Dracula
sich auf einem Rummelplatz zu befinden, wenn er London mit Petrila verglich.
Die hohen, oft alten Häuser, die Autoschlangen, die Menschen, die Geschäfte - nein, das war nichts für ihn. Deshalb machte er kehrt und suchte den Eingang zu einem U-Bahnschacht.
Eine Strecke in die City war gesperrt worden. Wenn Marek sein Ziel erreichen wollte, mußte er einen Umweg fahren. Ein freundlicher Beamter gab ihm die nötigen Auskünfte. Der Rumäne erwarb ein Ticket und wartete auf den Zug.
Inmitten der Menschen auf dem Bahnsteig kam er sich ebenfalls verloren vor. Einige Punker hatten sich die Haltestelle als Krawallplatz ausgesucht. Sie johlten und schrien um die Wette.
Marek kümmerte sich nicht um sie. Er stand etwas abseits, sah aus, als würde er vor sich hin dösen, doch er war hellwach. Aus flinken Augen beobachtete er die Umgebung, ohne jedoch etwas Unnormales feststellen zu können.
London war wie immer…
Der Zug zischte heran, wurde abgebremst und stand still. Die Türen öffneten sich. Marek stieg in den Wagen, in dem es muffig roch, und fand auch einen Sitzplatz am Fenster.
Sehr bald setzte sich die Schlange wieder in Bewegung. Der Pfähler lehnte sich auf seinem Sitz zurück. An seinem Körper spürte er den vertrauten Druck des Pflocks. Er ließ seine Blicke über die Mitfahrer gleiten. Ob die alle wußten, in welch einer Gefahr sie schwebten. Ein Vampir allein konnte es schaffen, daß London zu einer Hölle aus Blutsaugern wurde. Sein Biß würde eine Kettenreaktion auslösen, die nur durch Gewalt unterbrochen werden konnte.
Marek hoffte, daß er noch schnell genug hatte handeln können, um die Gefahr zu bannen.
Vor Erreichen der nächsten Station wurde ihm gegenüber die Bank frei. Menschen stiegen aus und ein.
Zwei junge Männer erschienen. Sie trugen über den schwarzen Hemden ebenfalls schwarze Lederjacken. Lachend flegelten sie sich auf die freie Bank und schauten Marek an.
Der wollte nicht glauben, was er sah. Das war entweder der reine Zufall oder Schicksal.
»Was ist denn, Opa? Weshalb glotzt du uns so an?«
»Entschuldigen Sie«, erwiderte Marek höflich. »Aber mich interessieren Ihre Hemden.«
»Wie das?«
»Es ist der Aufdruck!«
Sie lachten beide. »Die Vampire, wie?«
»Ja, genau.« Marek nickte. Die beiden anderen wollten noch spöttische Bemerkungen loslassen, doch sie sahen das Gesicht des Mannes und schwiegen plötzlich. Der Ausdruck in den Augen trieb das Unbehagen in ihnen hoch. In den Pupillen glaubten sie, ein gelbes Licht tanzen zu sehen.
Marek schaute auf die Drucke.
Sie zeigten das bleiche Gesicht eines Vampirs, dessen dunkle Haare kurz geschnitten waren. Der Mund stand offen, die beiden Vampirzähne waren deutlich zu sehen, ebenso die vorgestreckten, zu Krallen gekrümmten Hände, deren Fingernägel einen schwarzen Lack aufwiesen. Hinter dem Kopf leuchtete ein bleicher Mond. Das alles hätte Marek noch hingenommen, ihn störte allein das Gesicht. Es waren Züge, die er kannte.
Dieses Gesicht hatte er schon einmal gesehen. Er wußte nur nicht mehr genau, wo das gewesen war.
Jedenfalls kannte er den Vampir…
War er überhaupt ein Vampir, oder hatte ihn Marek als normalen Menschen kennengelernt.
In seinem Hirn überschlugen sich die Gedanken. Der Name des Mannes lag ihm auf der Zunge, nur schaffte er es nicht, ihn auszusprechen. Marek spürte den Stoß an seinem Knie. »He, weißt du eigentlich, wer das ist?«
»Noch nicht. Ich überlege…«
»Das ist Dracula.« Lachend wurde ihm die Antwort gegeben. Der junge Mann ihm gegenüber zerrte am Stoff des Hemdes, so daß der Vampirkopf zu einer breiten Fratze wurde.
Marek blieb sehr ernst. »Das ist nicht Dracula, der sieht anders aus. Glaubt mir.«
»Klar, wie Christopher Lee.«
»Das meine ich auch nicht.«
»Was denn?«
»Entschuldigen Sie bitte, darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Wir haben unsere gute Phase, Opa. Los, spuck's schon aus! Was willst du wissen?«
»Wo haben Sie diese Hemden erworben?«
Die Jungen mit den ebenfalls schwarz glänzenden Haaren schauten sich an. »In einem Laden.«
»Wo, bitte?«
»In Mayfair, direkt am Hyde Park. Da verkaufen sie die T-Shirts und Hemden.«
»Danke sehr.«
»Willst du dir auch so ein Ding holen?«
»Ich spiele mit dem Gedanken. Dazu müßte ich nur den Namen des Geschäfts wissen.«
»Ganz einfach. Magic Shop. Er ist ziemlich neu, aber schon zu einem Szene-Laden geworden.«
»Wem gehört er?«
»Einer heißen Braut, einem Weib, das ist einfach irre.
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