Hüte dich vor Dracula
Zeit. Der Bunker enthielt eine magische Zeitbombe, die ich unbedingt entschärfen mußte. Wenn nicht, waren die Bewohner von London möglicherweise verloren. Wir traten ein.
Ungewöhnlich, denn ich hielt noch immer das Kreuz. Wenn ich Reva vorschob, zeigte ich ihr das an, indem ich ihr mein angewinkeltes Knie in den Rücken stieß.
Als Blutsaugerin verspürte sie keine Schmerzen, aber sie verstand den Befehl genau.
Die ersten Schritte wurden für mich zu einem Gang in eine unheimliche Welt.
Der Bunker hatte eine völlig andere Atmosphäre bekommen. Zwar durchzog ihn noch der Staub der langen Zeit des Vergessens, auch Müll lag auf dem Boden, vermischt mit altem Geröll, aber ich spürte die Macht der Vampire. Sie strahlten etwas Besonderes aus.
Es war nicht nur der alte, widerliche Geruch von Grab, Moder und Tod, nein, es roch auch nach Blut, ohne das sie nicht existieren konnten. Uber die Schulter des weiblichen Blutsaugers schaute ich hinweg, um das Bild aufzunehmen.
Es erinnerte mich an eine Filmszene. Unheimlich, bedrohend und finster, trotz des Fackelscheins der das alte Gewölbe durchdrang. Die Fackeln selbst waren in den Boden gerammt worden.
Man hatte die Holzstäbe mit Pech beschmiert, das allmählich abbrannte. Dementsprechend war auch der Gestank, der durch den Bunker wehte. Die Vampire störte er nicht, im Gegensatz zu mir.
Es brannten drei Fackeln im Hintergrund. Ob sie genügend Eicht gaben, um alle versammelten Blutsaugeraus der Finsternis zu reißen, konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls sah ich genug, auf deren Stirn das verfluchte D leuchtete.
Sie hielten sich im Hintergrund auf, noch vor den Fackeln. Das Licht tanzte, Feuerarme entstanden, als wollten sie in jede Ecke hineingreifen. Es verzerrte die Gestalten, schuf Übergänge, so daß ich zwei für eine hielt.
Es war nicht genau zu erkennen, wie viele dieser verfluchten Vampire auf mich lauerten. Zwei Personen vermißte ich.
Ein blondes, junges Mädchen namens Eve Hunter — Jay hatte sie mir beschrieben - und natürlich den Anführer, den Meister, den Nachfolger des Blutgrafen - Will Mallmann!
Wenn er sich im Bunker aufhielt — davon ging ich selbstverständlich aus -, hatte er es geschafft, sich zu verbergen. Noch überwogen die Schatten, auch dort, wo die Blutsauger lauerten.
Er konnte in einer von mir nicht erkennbaren Nische oben oder irgendwo am Boden liegen.
»Wo ist er?«
»Wer?«
»Hör zu, Reva, du kannst mich nicht auf den Arm nehmen. Es ist kein Spiel, wenn es um Menschenleben geht, sondern verdammter Ernst. Ich will eine Antwort.«
»Keine Ahnung. Draußen war er nicht. Ich habe auf dich gewartet. Er will, daß du kommst.«
»Gut, ich bin da!«
»Hast du auch den Pflock?« erkundigte sie sich höhnisch.
»Das spielt im Moment keine Rolle.« Ich drückte sie noch ein Stück vor.
»Und jetzt will ich wissen, wo sich das Mädchen befindet. Ich werde dich loslassen, wenn Eve frei ist.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Dann hole sie her!«
»Ich muß sie rufen!« krächzte Reva, als wäre etwas mit ihrem Hals.
»Los, tu es!«
»Das Kreuz!« keuchte sie und bewegte sich in meinem Klammergriff.
»Verdammt, tu es weg!«
»Noch nicht! Du wirst sie erst herholen! Ich will sie sehen. Sie soll mir Auge in Auge gegenüberstehen!«
»Gut, Sinclair, gut!« Ich hörte sie schmatzen, als sie den Mund bewegte. Dann hallte ihr Ruf in die Tiefe des Bunkers hinein und wurde von jedem gehört.
»Eve, komm her…«
Nichts tat sich. Ich atmete ein und einmal aus, bevor ich flüsterte:
»Wenn sie beim nächsten Ruf nicht erscheint, presse ich dir das Kreuz gegen dein Gesicht. Klar?«
»Ja, ich habe verstanden.« Sie versuchte tatsächlich nichts und rief noch einmal nach Eve.
Endlich kam sie. Das heißt, ich konnte sie noch nicht genau erkennen. Im Hintergrund des Bunkers, an der rechten Wand, wo der Fackelschein nicht so direkt hinfloß, entstand eine Bewegung. Die schmale Gestalt einer jungen Frau geriet in den Widerschein des Fackellichts, der wie ein leichtes Tuch über sie hinwegstrich.
Ich konnte sie besser erkennen, sah auch, daß sie ging, aber es war kein normales Gehen, wie man es von einem Menschen gewohnt war. Sie schleppte sich förmlich voran. Sie hatte Mühe, die Beine zu heben. Ihre Füße schienen mit dem Untergrund verklebt zu sein. Wenn sie die Schuhe anhob, war es so, als würden lange Leimfäden an den Sohlen kleben, die sie festhalten wollten.
Die winterliche Kleidung trug sie nicht mehr. Man hatte
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