Hueter der Daemmerung
Sams Einwänden scharf das Wort ab. »Guck dir doch an, wie sie stehen. Ihre Heiligenscheine sind viel zu dicht an den Köpfen der Menschen. Wir könnten jemandem das Hirn wegpusten.«
»Und das wäre vielleicht gar nicht mal so schlimm! Jetzt haben sie das Angelburn-Syndrom, was soll es da –«
Alex fluchte, als einer der Engel aufsah. Eine kurze brennende Sekunde lang kreuzten sich ihre Blicke – und er wusste, dass der Engel es wusste. Entschlossen wandte er die Augen ab und griff nach seiner Waffe.
»Tja, jetzt kriegst du deinen Willen, sie haben uns entdeckt. Glückwunsch, Superleistung! Bleibt, wo ihr seid. Schießt, wenn ihr könnt, und schaut sie auf keinen Fall direkt an –«
Für weitere Anweisungen blieb keine Zeit. Umgeben von loderndem Licht rasten die Engel auf sie zu. Einer drehte ab und schwang sich hoch in die Luft, bereit zum Sturzflug. Alex ignorierte ihn fürs Erste und nahm sich den vordersten Engel vor. Das funkelnde Sonnenlicht, das von seinem Heiligenschein reflektiert wurde, blendete ihn kurz, doch dann wurde seine Sicht wieder klar und er feuerte. Als die Kreatur in ihre Einzelteile zerplatzte, spürte er die vertraute Druckwelle vorüberfegen.
Neben ihm wurde panisch herumgeballert, und hektisch im Gras herumgezappelt. »He!«, brüllte Sam und warf sich auf die Seite, als eins der Viecher abtauchte – ein weiblicher Engel mit einem wilden, schönen Gesicht und langen Fingern, die sich nach Sams Lebenskraft ausstreckten. Alex rollte sich in einer einzigen flüssigen Bewegung auf den Rücken und setzte sich auf. Er nahm den Engel, der eine rasante Kehrtwende hinlegte und sich für einen neuerlichen Angriff bereit machte, ins Visier.
Er hörte den Knall von Trishs Waffe, und sah aus dem Augenwinkel eine grelle Explosion. Ja! Volltreffer!, dachte er und drückte ab. Der weibliche Engel schlug einen seitlichen Haken.
Alex feuerte erneut und diesmal erwischte er sie. Als er herumwirbelte, um den vierten und letzten Engel ins Visier zu nehmen, ging Sams Waffe los.
Stille. Licht, das zu Boden rieselte.
»Wir … wir haben es geschafft«, sagte Trish. Sie klang verblüfft. »Wir haben es echt geschafft!«
Alex drehte sich zu Sam um und sah ihn lange und fest an. Der Blick des Texaners wurde unsicher und als er die Waffe wegsteckte, wurde er rot. »Tu das nie wieder«, sagte Alex leise. »Wenn einer von uns gestorben wäre, dann ausschließlich deshalb, weil du sie auf uns aufmerksam gemacht hast.«
Sam schluckte. »Ja, aber …«
»Halt den Mund! Komm mir nicht mit irgendwelchen Entschuldigungen. Du rennst nicht einfach los, bevor du weißt, worauf du dich einlässt. Und du krakeelst nicht in der Gegend herum, wenn ich dir gesagt habe, du sollst ruhig sein. Hast du mich verstanden?«
»Es tut mir leid«, sagte Trish kleinlaut. »Ich bin ja auch einfach so drauflosgelaufen.«
»Schon okay«, sagte Alex, der immer noch Sam ansah. »Du bist wenigstens stehen geblieben, als ich es dir gesagt habe.«
»Ich … ich glaube, ich hab mich ziemlich blöd benommen.« Er sah elend aus. »Es ist mit mir durchgegangen, ich hab nicht nachgedacht.« Er hob den Blick und schaute Alex an. »Tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Nein, wird es nicht«, erwiderte Alex. »Denn ansonsten bist du raus aus dem Team, ein für alle Mal.«
Sam nickte, seine Lippen waren weiß. »Verstanden.«
»Dann ist es ja gut«, sagte Alex, als sie aufstanden. »Davon einmal abgesehen … könnt ihr beide stolz auf euch sein.« Er legte einen Arm um Trish und drückte sie kurz. Sam klopfte er auf die Schulter. »Ganz im Ernst, das war echt beachtlich – es ist hart, wenn sie einen entdecken. Gut gemacht, ehrlich.«
Trish sah so aus, als würde immer noch Adrenalin durch ihre Adern rauschen. Sie brachte ein zittriges Lächeln zustande. Sam wand sich und fuhr sich mit der Hand über sein kurzes blondes Haar. »Ja, aber ich … zuerst habe ich total die Nerven verloren, verdammt, ich konnte ja nicht mal richtig geradeaus schießen …«
Ein längst vergangener Tag in einem Park in Albuquerque kam Alex in den Sinn, und es schnürte ihm die Kehle zu, als er sich an Cully erinnerte:
Hab ich dir nicht gerade gesagt, dass es hart ist, wenn sie dich ansehen? Du hast es gut gemacht. Du hast es wirklich gut gemacht.
»Ihr habt es gut gemacht«, sagte Alex ruhig. Und er meinte es auch so. Sicher, ihr erster Jagderfolg war nicht gerade glatt verlaufen. Aber verdammt noch mal, es hätte auch schlimmer kommen
Weitere Kostenlose Bücher