Hueter der Daemmerung
er hatte es am Morgen auf einem der Straßenmärkte gekauft. Und da er schon mal dabei gewesen war, hatte er auch noch ein paar mehr Kleidungsstücke für sich und Willow mitgebracht. Er wusste, wie satt sie es hatte, geliehenes Zeug zu tragen.
»Eine Stunde, dann treffen wir uns wieder hier«, sagte er und überprüfte die Uhrzeit. Dann steckte er das Handy zurück in die Tasche seines blauen Kapuzenshirts. »Ruft mich an, wenn es Ärger gibt. Na dann, fröhliches Jagen, Leute – passt auf euch auf!« Automatisch hatte er die vertrauten Worte ausgesprochen. Cully hatte sie oft vor einer Jagd benutzt und, nach ihm, auch Juan.
Und jetzt er.
An Karas Blick konnte er erkennen, dass sie dasselbe dachte.
»Machen wir«, sagte sie und führte ihr Team zwischen den Bäumen davon.
»Kommt, wir gehen hier lang«, forderte Alex seine eigene Gruppe auf und wählte einen anderen Weg. »Alle Mann anfangen zu scannen und erzählt mir, was ihr fühlen könnt.« Er selber hatte bereits in ungefähr vierhundert Metern Entfernung Engelenergie lokalisiert, wollte aber feststellen, wie lange die anderen dazu brauchten. Engelsucher hatten einen guten Ruf, aber er hatte keine Vorstellung davon, wie ihre Ausbildung ausgesehen hatte. Sie waren ausschließlich von der CIA rekrutiert worden.
Eine kurze Phase der Konzentration. »Da lang«, sagten Sam und Trish fast wie aus einem Mund und deuteten den Weg hinunter. »Ziemlich nah«, fügte Trish hinzu und warf ihm einen ernsten Blick zu. »Und mehr als einer, glaube ich.«
»Ja«, sagte Alex. »Ich habe dasselbe gespürt. Okay, wir gehen zwischen den Bäumen durch.« Als sie eine kleine Anhöhe hinaufstiegen, sah er Willow an und fragte sich, ob es ihr gut ging. Schweigend setzte sie einen Fuß vor den anderen und starrte beim Gehen auf ihre lila Turnschuhe. Sie war den ganzen Tag über schweigsam gewesen.
Als hätte sie seinen Blick gespürt, hob Willow den Kopf. Die anderen zwei gingen vorneweg. Zu seinem Schrecken bemerkte er, dass ihre Augen unglücklich, ja fast verängstigt wirkten. »Alex, hör zu, ich … ich kann nicht an der Jagd teilnehmen«, stieß sie hervor. »Miserables Timing, ich weiß, und es tut mir schrecklich, schrecklich leid … ich hätte es dir gestern sagen müssen … aber …«
»Da!«, schrie Sam von vorne. »Ach du Scheiße! Das ist ja das reinste, verdammte Kaffeekränzchen !«
Alex riss den Kopf hoch. Was immer Willow gerade hatte sagen wollen, war vergessen, als er Sam, mit Trish im Schlepptau, davonsprinten sah. Beide rissen ihre Waffen heraus, während sie rannten. Großer Gott, hatte das wochenlange Strategietraining denn überhaupt nichts gebracht?
»Sam!«, rief er so laut wie er sich traute. »Trish! Wartet!« Trish blieb wie angewurzelt stehen und sah sich verlegen nach ihm um. Sam dagegen rannte einfach weiter und brach wie ein Guerilla-Krieger durch das Unterholz.
Alex hetzte ihm hinterher. Er holte ihn ein, packte ihn am Arm und brachte ihn mit einem heftigen Ruck zum Stehen. »Stopp!«, zischte er. »Hast du sie nicht mehr alle? Man stürzt nicht einfach blindlings drauflos. Zuerst verschafft man sich einen genauen Überblick!«
Er konnte die Engel jetzt selber sehen, knapp hundert Meter weit weg, am Fuß eines kleinen Hügels, an dem sich der Pfad vorbeischlängelte. Sam hatte recht, es war ein ganzes Rudel: vier Engel, die sich um vier Menschen drängten. Ihre Flügel berührten sich und formten eine leuchtende Blüte. Ihre Heiligenscheine strahlten und pulsierten, während sie sich nährten.
»Wir müssen uns beeilen!«, schrie Sam und riss sich von ihm los. »Sie verletzen die Menschen, jetzt, in diesem Augenblick –«
»Runter auf den Boden!«, befahl Alex, ohne die Engel aus den Augen zu lassen. Sam rührte sich nicht. »Runter!«, fauchte er ein zweites Mal und versetzte der breiten Schulter des Texaners einen heftigen Stoß. Mürrisch warf sich Sam neben ihm flach auf den Bauch. Trish kam herüber und tat es ihnen nach. Ihr sonst so ordentlicher Pferdeschwanz war zerzaust. Sie wurde blass, als sie die Szene betrachtete.
»Okay«, sagte Alex. »Ich weiß, das ist nicht leicht mitanzusehen, aber sie nähren sich bereits – wir können diese Menschen nicht mehr retten. Das Beste, was wir tun können, ist, auf ein freies Schussfeld zu warten.«
»Aber wir müssen jetzt schießen!« Sam hob die Stimme. Trish sah ihn besorgt an. »Wir können doch nicht zulassen –«
»Sprich leiser«, sagte Alex, seine eigene Stimme schnitt
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