Hueter der Daemmerung
sonst haben sie keine Chance, wenn es so weit ist.« Dann bemerkte er die Anspannung in ihrer Miene. »Hey, das ist doch okay für dich, oder? Mir wär’s natürlich lieber, wenn du hierbliebest, aber ich habe gedacht …«
»Nein, ich bin einverstanden«, sagte sie nach einer kurzen Pause. »Na ja, nervös, aber einverstanden.«
»Keine Angst, ich lasse nicht zu, dass irgendjemandem etwas passiert«, sagte Alex. Oh Gott, er hoffte, dass das stimmte. Er schob den Gedanken beiseite. Die Jagd war das Letzte, woran er denken wollte, wenn er zur Abwechslung endlich mal ein paar Minuten mit Willow allein sein konnte.
Er beugte sich wieder zu ihr hinunter. Er spürte, wie sie zögerte, sich zurückziehen wollte – doch dann stürzte sie sich Hals über Kopf in den Kuss. Alex’ Puls fing an zu rasen, als sie sich an ihn presste. Behutsam schob er seine Hand unter ihr Shirt und liebkoste ihre seidenweiche Haut, ihre sanfte Wärme. Für ein paar endlose Minuten gab es nur sie beide auf der Welt.
Mit einer Abruptheit, die ihn erschreckte, riss sie sich von ihm los. »Ich – tut mir leid, aber ich kriege immer noch eine Erkältung, schon vergessen?«
»Mir doch egal«, murmelte er und streckte erneut die Hände nach ihr aus. »Bazillen sind gut.«
»Nein, ganz ehrlich. Ich will nicht, dass du dich ansteckst.« Sie trat einen Schritt zurück. Mit glühenden Wangen rückte sie ihr T-Shirt zurecht, ohne seinen Blick zu erwidern. Alex’ Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wollte sie gerade noch einmal fragen, ob etwas nicht stimmte, als sie ihm ein schnelles entschuldigendes Lächeln zuwarf. »Wir sehen uns beim Abendessen, okay? Hab dich lieb.«
Bevor er reagieren konnte, hatte sie ihn auf die Wange geküsst und war aus dem Raum geschlüpft. Leise zog sie die Tür hinter sich zu.
12
Sie fuhren mit der Metro zum Chapultepec.
Alex wusste, dass sie noch vor einigen Jahren vermutlich die einzigen Ausländer im Zug gewesen wären. Jetzt, mit den vielen Touristen in der Stadt, die sich die kürzlich umgestaltete Kathedrale anschauen wollten, würdigte kaum jemand ihre Gruppe auch nur eines zweiten Blickes.
Lediglich Trish und Liz ergatterten in dem überfüllten Wagen einen Sitzplatz. Alex stand, zusammen mit den anderen, und hielt sich an einer der Halteschlaufen fest, die von der Decke baumelten. Willow stand neben ihm. Als der Zug ruckelte, kam sie ein wenig ins Schwanken und er legte einen Arm um sie und hielt sie fest. Er konnte ihre Anspannung spüren. Sie waren alle angespannt. Sam, der sich an die nächste Schlaufe klammerte, klopfte sich mit seiner freien Hand auf den Oberschenkel. Wesley sah mürrischer und verschlossener aus denn je. Brendan quasselte einen Haufen belangloses Zeug, seine Stimme klang hoch und nervös. Alex wollte ihn gerade auffordern, sich abzuregen, als Kara ihn mit einem Blick bedachte, der die Sache für ihn erledigte. Zu Alex’ Erleichterung hatte sie ihr Wort gehalten. Tatsächlich benahm sie sich seit ihrer Unterhaltung vom Vortag derart schwesterlich, dass Alex sich beinahe fragte, ob er sich das Ganze nur eingebildet hatte.
An der Haltestelle Constituyentes stiegen sie aus. Der Eingang zum Park lag ganz in der Nähe. Im Grunde genommen war der Chapultepec ein riesiger Wald, in dem man alles fand, was man sich nur vorstellen konnte – sogar ein historisches Schloss und einen Vergnügungspark – aber hier an dieser Stelle war es ruhig. Alex konnte Wege sehen, Bäume, samtige, gepflegte Rasenflächen. Als sie die Straße überquerten und das Parkgelände betraten, schien sich die Stille über sie herabzusenken und der Lärm der Stadt blieb hinter ihnen zurück.
An Willows Schweigen erkannte Alex, dass noch keine Engel in Sicht waren. Auch Menschen waren an diesem Nachmittag mitten in der Woche kaum unterwegs, ganz so wie Alex es sich ausgerechnet hatte. Hauptsache, es waren noch genug, um ein paar Engel anzuziehen. Die Ironie, dass er auf einen Angriff hoffte, entlockte ihm ein schiefes Lächeln. Er schloss die Augen und ließ sein Bewusstsein durch seine Chakrapunkte strömen. Er spürte, wie die anderen dasselbe taten.
»Okay, wir teilen uns in zwei Gruppen auf«, sagte er. »Kara, du übernimmst Wesley, Liz und Brendan. Ich nehme Sam, Trish und Willow. Bleibt wenn möglich in Deckung, aber behaltet die Hauptwege im Auge, denn dort wird am ehesten etwas passieren.«
Kara nickte. »Wie lange?«, fragte sie mit einem Blick auf ihr Handy. Alex hatte ebenfalls ein Telefon,
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