Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
Stirn. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, daß dieser Kampf vor langer Zeit stattgefunden hätte – vor mehreren hundert Jahren?«
Oreen legte das Gesicht in Falten. »Woher kommt Ihr, Freund Ahira?«
»Was meint Ihr?« In Oreens Stimme hatte eine Herausforderung gelegen, daß Ahiras Hand nach dem Stiel der Streitaxt juckte.
Der Bibliothekar seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Verzeihung. Ich habe kein Recht, Euch auszufragen. Aber es muß ein merkwürdiges Land sein, wo mächtige Kleriker nicht ihre eigenen Lebensfunktionen erhalten können.«
Der James-Michael-Teil kam in ihm hoch. Er sah vor sich das Bild des alten Fathers Mendoza, dem Priester seiner Pfarrei, der mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen war, als er die Messe zelebrierte. Ein paar Stunden später war er gestorben. Es war merkwürdig, wenn man es recht betrachtete: Warum konnten die Götter – Gott nicht auf ihre Leute aufpassen?
Er schüttelte den Kopf. Das spielte jetzt keine Rolle! Das Problem war jetzt, mit Oreen fertig zu werden. Vielleicht war es das Beste, alles vor dem Bibliothekar auszubreiten und ihn um Rat zu fragen. Aber wie sollte er es erklären? In einer anderen Welt war ich ein Krüppel, bis ein Möchtegern-Magier mich hierher schickte, um den Weg für ihn zu bahnen?
Nein. Das ging nicht. Nur weil hier Magie funktionierte, hieß das noch lange nicht, daß die Einheimischen ihn nicht für verrückt halten würden.'
Und wie behandeln sie die Verrückten hier? Prügeln sie sie, um die Dämonen auszutreiben? Und funktioniert das vielleicht hier?
Vielleicht tut es das. Aber die Behandlung könnte schlimmer als die Krankheit sein. »Ihr wart dabei, mir den Weg zu zeigen?«
Oreen schaute ihn einen langen Augenblick an, dann zuckte er mit den Achseln. »Na schön. Wie gesagt, ich kann Euch keine genaue Karte von der Wüste zeigen, weil es ganz einfach noch niemand geschafft hat, wieder herauszukommen. Zumindest nicht, daß ich es weiß – jeder, der da durchgeht, ist nur interessiert, wieder herauszukommen, nicht am Kartenzeichnen.« Er lächelte. »Aber jede Regel kennt eine Ausnahme: Ich kann Euch eine Karte über den Weg von Metreyll zum Tabernakel von der Heilenden Hand zeigen.« Sein Finger schwebte über eine Linie, die von einem See zu dem grünen Fleck verlief, der das Waldschutzgebiet der Gesellschaft bezeichnete. »Aber das würde einen Umweg bedeuten. Sogar einen ziemlich weiten, wenn Ihr nach Bremon geht.«
»Bremon?«
»Bremon.« Oreen tippte auf ein einzelnes umgekehrtes V in der Nähe der Wüste. »Da soll sich angeblich das Tor zwischen den Welten befinden. Ich habe eine Beschreibung – keine Karte, nur ein paar Aufzeichnungen – eines Zugangs in den Berg hinein. Vor etwa hundert Jahren hat jemand die Suche nach dem Tor aufgesteckt, als er gerade vor diesem Berg stand. Ich kann Euch daher zeigen, wo der ist. Ich kann Euch aber keine Karte über das Innere des Berges zeigen, weil … «
»Niemand, der je hineingegangen ist, wieder herausgekommen ist, wie die Sage berichtet.«
»Natürlich.« Oreen war erstaunt. »Was habt Ihr denn gedacht, worauf ich hinaus will?«
Ein östlicher Wind trieb Gestank in Karls Nase, als die drei auf einer stillen Straße mit Kopfsteinpflaster dahingingen. Es war ein Gestank aus Kot, Schweiß und Angst. Er wollte gerade schneller gehen und auch die anderen antreiben, als Walter ihn am Ärmel zupfte.
»Ich glaube, da drüben ist ein Sklavenmarkt – ich kann ganz schwach eine Versteigerung hören. Wollt ihr beiden euch das mal ansehen?« Der Dieb zuckte mit den Achseln. »Ich weiß, wir können jetzt nicht viel Geld ausgeben; aber es ist vielleicht der Mühe wert, herauszufinden, wieviel Träger kosten würden. Könnte sogar billiger sein … « Er wurde von dem Geräusch einer Peitsche unterbrochen, auf das sofort ein Schmerzensschrei folgte. Walter zuckte zusammen. » … als Pferde und so zu kaufen.«
Karl schüttelte den Kopf. »Wir wollen keine Leute besitzen. Es ist nicht richtig.«
Doria warf Walter einen entsetzten Blick zu. »Wie kannst du bloß auf die Idee kommen? Das ist doch … «
»Weitergedacht. Das tut ihr beide nicht. Seht mal, was würden wir mit einem Haufen Sklaven machen, nachdem wir das Tor erreicht haben? Wir lassen sie laufen, oder? Eigentlich wäre es doch mehr ein Zeitvertrag als richtige Leibeigenschaft. Sie tauschen ein bißchen Dienst gegen die Freiheit.«
»Nein.« Karl faßte sein Schwert fester. »Kommt nicht in Frage! Vergiß es!
Weitere Kostenlose Bücher