Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
die Karte. »Dort. An der Stelle führt eine gute Straße den Hügel hinunter, und es erscheint mir sinnvoll, die Kanonen an einem möglichst hohen Punkt zu stationieren.«
Karl wog die Vorschläge gegeneinander ab. »Das eine wie das andere hat seine Vorteile. Wenn es regnet, verwandeln sich diese Straßen in Schlamm und die Kanonen stecken oben fest.«
»Dem möchte ich widersprechen. Mit Respekt, immer mit Respekt.« Nerahan schüttelte den Kopf. »Darauf kommt es nicht an. Die Kanonen brauchen nur zum Angriff ausgerichtet zu werden. Und den Zeitpunkt des Angriffs bestimmen wir, nicht die Nyphier.«
»Ein gutes Argument. Garavar, wen möchtest du als taktischen Befehlshaber? Gashier?«
»Nein. Zu hitzköpfig«, lehnte der General ab. »Kevalun.«
»Ich wollte ihm ...«
*Karl.* Eine ferne Stimme ertönte in seinem Kopf. *Karl, es ist etwas geschehen.*
Er sprang auf. »Ellegon!« Was denn?
*Reg dich nicht auf, aber Jason ist verschwunden.*
Was? Red doch ...
*Heute können wir ohnehin nichts mehr unternehmen. Ich werde in einer Minute im Burghof landen. Warte dort auf mich.*
»Schon unterwegs.«
Kapitel neunzehn
Entscheidungen
Nicht jeder Mensch wird mit einem silbernen Löffel im Mund geboren.
Miguel de Cervantes
Vor langer, langer Zeit hatte Karl Cullinane sich die gelegentliche Spur von Panik in der Stimme erlauben können.
Die Zeiten waren vorbei.
»Andy?« fragte der große Mann, und seine Stimme klang vollkommen beherrscht und gelassen, »was sollen wir jetzt tun?«
Unten im Hof senkte Ellegon den Kopf zu der blutigen Schafshälfte, die seine Abendmahlzeit darstellte, während ein Dutzend Männer auf ihm herumschwärmte und die Lederbeutel mit dem Nachschub für Daven und seine Männer, die in Khar in der Falle saßen, festschnallten.
»Vielleicht haben ihn die anderen inzwischen gefunden.« Andy klammerte sich an seine Hand. Er konnte ihren hämmernden Pulsschlag fühlen.
Karl Cullinane legte den Arm um seine Frau und drückte sie an sich. »Ich werde tun, was ich kann«, flüsterte er. »Ich schwöre es.«
*Andrea könnte recht haben. Vielleicht haben Tennetty und die anderen ihn aufgespürt.* Dampf quoll zwischen Ellegons Zähnen hervor; genießerisch neigte der Drache den Kopf, um noch einen Happen Schaf zu nehmen - es war nicht mehr viel übrig.
Karl schüttelte den Kopf. Vielleicht befand sich Jason in Sicherheit und vielleicht auch nicht. Doch er wollte sich nicht mit Vermutungen zufriedengeben. Wenn alles gutging, fein. Ganz sicher waren Tennetty und die anderen in der Lage, die Spur seines Sohnes zu verfolgen, vorausgesetzt sie hatten genug Zeit und es kam ihnen niemand zuvor.
Vorausgesetzt, sie hatten genug Zeit.
»Also gut«, flüsterte Karl Cullinane. »So sei es.« Er wandte sich an den betagten General. »Garavar - wirst du Andrea helfen, während meiner Abwesenheit?«
Der alte Soldat nickte bedächtig. »Soweit es militärische Angelegenheiten betrifft. Nicht bei politischen Entscheidungen. Selbst bei ersteren hätte ich gerne Kevalun zur Seite. Oder Danagar.« Garavar bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick.
»Ich verstehe.« Karl nickte. »Danagar ist noch nicht aus Nyphien zurück, und doch schickst du keine Suchtrupps hinter ihm her. Aber das ist etwas anderes, verdammt. Danagar ist Berufssoldat und Jason nur ein halbwüchsiger Junge. Garavar, du begreifst, warum ich in diesem Fall anders vorgehen muß.«
»Nein.« Garavars Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. »Aber ich akzeptiere Eure Entscheidung.«
»Ihr werdet mich brauchen«, sagte Thomen Furnael, »um den Adel bei der Stange zu halten. Wenn Ihr auf Eurem Willen besteht.«
Karl nickte. »Richtig. Vielen Dank, Thomen. Du bist ein guter ...«
»Nein. Das ändert nichts zwischen uns, Majestät. Das Reich bedarf gerade jetzt einer straffen Führung, und wenn Ihr Euch davonmacht ...«
Andy zupfte an seinem Ärmel. »Er kann nicht anders. Dein Vater hätte das verstanden.«
»Mein Vater hätte es nicht verstanden.« Mit weißen Lippen riß Thomen sich los und richtete sich zu voller Höhe auf. »Er sandte Rahff in die Gefahr, obwohl er wußte, daß seine Überlebenschancen äußerst gering waren. Er sandte meine Mutter und mich fort, und wir wurden von Sklavenhändlern gefangengenommen. Aber er hat nie seine Baronie im Stich gelassen, sein Volk, seine Pflichten.« Mit etwas weicherer Miene wandte er sich an Karl. »Er wußte, was an erster Stelle stand; er wußte, wo seine Verantwortung lag.
Besser als
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