Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
waren, führte Karl Tyrnael und Thomen die rückwärtige Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer, das neben seinem und Andys Schlafzimmer lag. Er holte eine staubige Flasche ›Riccettis Magentrost‹ von einem Regal, entkorkte sie und schenkte drei grünmelierte Gläser halb voll.
»Was also werden wir tun?« eröffnete Tyrnael das Gespräch.
»Ganz einfach.« Karl winkte sie beide zu einem Sitzplatz und lehnte sich mit über der Brust verschränkten Armen gegen die Wand. »Sags ihm, Thomen. Die Idee stammt von dir.«
Der Junge - nein, es war nicht gerecht, ihn einen Jungen zu nennen - nippte an seinem Glas und lächelte. »Unsere Denkweise wird sich immer ähnlicher, nicht wahr?«
»Aber meine Denkweise hat mit der euren gar keine Ähnlichkeit.« Tyrnael leerte sein Glas und schüttelte verärgert den Kopf. »Ich begreife nicht, wovon die Rede ist.«
Während Karl dem Baron nachschenkte, nippte Thomen nur an seinem Getränk. »Nun gut. Erinnert Ihr Euch an diesen Wilderer, den Ihr aufgehängt habt?«
»Natürlich.«
»Ich versuchte, ihn zu befreien - aber Karl sah voraus, was ich tun würde und hinderte mich daran.«
Karl bewunderte die Art, mit der Tyrnael lediglich mit einem »Oh?« auf diese Eröffnung reagierte.
»Der Grund, weshalb es ihm gelang, mich aufzuhalten, war der, daß er sich auszurechnen vermochte, was ich als nächstes vorhatte und mir so zuvorkommen konnte. Ich werde jetzt dasselbe versuchen: Karl hat den Plan gefaßt, Pugeer persönlich gegenüberzutreten und seine Gedanken von Ellegon erforschen zu lassen, um auf diesem Weg herauszufinden, ob er hinter dem Überfall auf Kernat steckt, und ihn zu töten, sollte er der Schuldige sein. Richtig?«
»Richtig«, bestätigte Karl. »Wie gesagt, wir denken zu ...«
»Dann bist du ein verdammter Narr.« Thomen Furnael schleuderte sein Glas gegen die Wand. Ein mit Schnaps vermischter Hagel von Splittern spritzte durch das Zimmer.
Schritte dröhnten auf dem Gang; drei Wachen mit schußbereiten Pistolen stürmten herein.
»Majestät ...«
Thomen rührte sich nicht. »Es ist nichts, Männer«, sagte er, die Hände im Schoß gefaltet.
Die Gesichter der Soldaten wirkten völlig ausdruckslos.
»Schon gut«, meinte Karl. »Laßt uns allein.«
Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, fuhr Karl zu Thomen herum. »Was sollte das bedeuten?«
»Es sollte deine Aufmerksamkeit erregen. Ich hätte es vorgezogen, dir zu diesem Zweck in die Eier zu treten, aber vermutlich wäre mir das nicht gelungen.«
»Und jetzt, da du es geschafft hast, meine Aufmerksamkeit zu erregen?«
»Du wirst es nicht tun.« Der jüngere Mann stand auf, trat ans Fenster und trommelte mit dem Siegelring gegen die Scheibe. »Karl, wenn du auch nur daran denkst, dich auf so ein Wagnis einzulassen, breche ich alle Sicherheitsvorschriften und dieses Fenster und schreie so laut hinaus, was du vorhast, wie du es dir nicht vorstellen kannst.«
Er drehte sich zu Karl herum. »Du mußtest mich geräuschlos zur Vernunft bringen; wenn nötig, werde ich es bei dir geräuschvoll tun.«
»Du ...«
»Das Blatt gefällt mir nicht, und ich werde dich nicht spielen lassen. Denk einmal nach, Karl.« Thomen schlenderte zum Schrank, um sich ein neues Glas zu holen. »Darf ich?« fragte er und hob die Flasche hoch. »Sofern du diesmal zu trinken beabsichtigst.«
»Aber ja. - Hast du einmal in Betracht gezogen, daß Ahrmin der Hintermann sein könnte? Glaubst du, ihm ist nicht längst aufgefallen, daß du unweigerlich alles selbst erledigen mußt? Die meisten von uns überrascht es immer wieder, mit welcher Unverdrossenheit du es darauf anlegst, deinen Hals in die nächstbeste Schlinge zu stecken. Ahrmin jedoch hat dich all die Jahre nicht aus den Augen gelassen, und seit der Belagerung von Burg Furnael damals während des Krieges sitzt er dir im Nacken. Das war eine ausschließlich für dich bestimmte Falle. Du willst durchaus vorne mitmischen, du kannst nicht anders.
Und für den Fall, daß jemand glaubte, du hättest diese Unsitte abgelegt, sah man dich vor ein paar Zehntagen den Angriff auf Burg Arondael führen. Falls Ahrmin sich als Drahtzieher betätigt, dann wirst du eines Tages in eine Burg eindringen ...«
»... und in die Falle tappen. Wenn es eine Falle gibt.«
»Exakt.«
»Und wie lautet dein Vorschlag?«
Thomen trank aus und kehrte mit der Flasche in der Hand zu seinem Platz zurück. »Mir gefällt das Blatt nicht; wir benötigen genauere Informationen.« Er schenkte
Weitere Kostenlose Bücher