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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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nacheinander wirfst.«
    »So wie Karl.«
    Ich nickte. »So wie Karl, so wie Jason Parker, so wie Chak, so wie ... wie wir alle am Ende. Kann schon sein.«
    Wir hatten Nora nun lange genug ignoriert. Sie verließ ihr Versteck und fing an, mit meinem Schuh zu spielen.
    »Weißt du, genau auf diese Art beginnt das ganze Problem«, sagte ich, während ich im Spiel - und sehr zartfühlend - nach Nora trat. Sie antwortete, indem sie die Spitze meines Schuhs zwischen die Zähne nahm und ihn hin und her schüttelte, wie es ein Hund mit einer Ratte tut.
    »Wie?«
    »Sklaverei.« Ich langte nach vorn, ergriff den Welpen beim Nackenfell und hielt ihn für einen Moment fest. »Wenn du mit einem anderen Stamm kämpfst - und dabei kommt es nicht darauf an, wer angefangen hat - , und du gewinnst, was machst du dann mit den überlebenden Gefangenen? Sie bis zum letzten Mann töten, wie es Chaks Volk tun würde? Oder sie laufen lassen, damit sie einen Groll gegen dich hegen ...«
    »Wobei sie sogar vielleicht im Recht sind.«
    »Sicherlich, aber darauf kommt es nicht an.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ob du nun im Recht oder Unrecht bist, vor allem wirst du dir keinen Ärger einhandeln wollen. Wenn du sie einfach laufen läßt, dann handelst du dir ohne Zweifel Ärger ein. Und wenn du sie umbringst - bringst du dann alle um? Oder wirst du sie aufnehmen?«
    Und wenn du das tust, kannst du sie dann als Bürger oder Stammesmitglieder, oder wie du sie auch nennen willst, aufnehmen? Natürlich nicht. Selbst wenn man davon ausgeht, daß du deinen Teil der Abmachung erfüllst, so sind doch immer zwei daran beteiligt.
    Sklaverei war natürlich nicht die einzige Möglichkeit; davon abgesehen gab es noch viele andere - zuerst fällt einem da die Kolonisation ein. Karl hat Holtun angeschlossen, nachdem Bieme den Krieg gewonnen hatte. Der Unterschied war eine Frage von Fortbestand und Ausgewogenheit. Er hat die Holtunen mit dem Versprechen aufgenommen, daß sie schließlich eine Art Gleichberechtigung im Reich erhalten würden.
    »Du behauptest also, daß die Sklavenjäger, die mein Dorf niederbrannten und mich verschleppten, als ich noch ein Mädchen war, nette Leute gewesen sind. Das habe ich doch wohl nicht richtig verstanden. Habe ich dir jemals davon erzählt, wie sechs von ihnen, sechs von ihnen ...«
    »Schhhh.« Ich streckte die Hand nach ihr aus, hielt dann aber inne. »Komm Kirah.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht davon gesprochen, wie alles geworden ist, sondern wie alles begonnen hat.« Ich tätschelte den Welpen. »Vielleicht mit den besten Absichten, weißt du?« Vielleicht würde es auf lange Sicht menschlicher sein, wenn Tennetty sie einfach von ihrem Leid erlöste.
    Aber das genügte Kirah noch lange nicht. Sie preßte die Lippen zusammen, bis sie eine dünne Linie bildeten, und wandte sich ab. Sie soll verdammt sein, sie wandte sich ständig von mir ab.
    »Kirah«, sagte ich beschwichtigend, »ich werde niemals jemandem vergeben, der dich einmal verletzt hat, absichtlich oder nicht.« Ich hatte den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und ihr zu sagen, daß ich alles in Ordnung bringen würde, aber das ist genau die Lüge, die man einer Frau, die schreit, wenn man sie festhält, nicht erzählen kann.
    Für einen Moment hatte ich keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Alles mögliche konnte geschehen. Sie konnte mir genausogut einen Kinnhaken verpassen oder in meine Arme fallen.
    Doch alles, was sie tat, war, Nick hochzuheben und seine Beine baumeln zu lassen. »Sicher«, antwortete sie sehr kühl und schickte mich fort. »Du kannst gehen, Walter.« In ihrer Stimme war ein Zittern, dem ich besonders aufmerksam lauschte. »Ich komme hier schon klar. Du brauchst etwas Schlaf.«
    Die Perversion meiner Schlafgewohnheiten steuert ihrem Höhepunkt entgegen - ich konnte nicht wieder einschlafen.

Kapitel neun
In dem wir auf eine Reise gehen
    Ich weiß nie, wieviel ich von meinen eigenen Geschichten glauben kann.
    - WASHINGTON IRVING -
    Slowotskis Gesetz Nummer neunzehn: Wenn du eine Geschichte erzählst, übertrifft die Wirkung die Wahrheit.
    - WALTER SLOWOTSKI -
    Stash hatte die Angewohnheit zu schwören, daß es wirklich geschehen war. Doch Lügen waren üblich in Slowotskis Familie. Daher glaube ich es bis heute nicht.
    Die Geschichte verlief folgendermaßen:
    Damals, als ich noch jung war - drei oder so - , setzte Stash mich auf den Küchentisch und breitete die Hände aus.
    »Spring, Walter, spring«, forderte er.

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