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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Studium zu ernähren? Rachel und Nathanael waren ihm wichtiger als jede Karriere. Außerdem war Baggerfahrer gar keine so üble Tätigkeit. Er arbeitete jetzt seit acht Jahren für die Baufirma Moriah und erhielt guten Lohn für gute Arbeit.
    Doch an diesem Tag wollten die Stunden nicht vergehen, als hätte sich die Zeit entschieden, ein wenig zu bummeln. Für gewöhnliche Leute war heute nur ein normaler Freitagnachmittag, für ihn hingegen war es ein besonderer Sabbat. Mosche blickte für einen Augenblick durch die Frontscheibe nach oben und hielt nach Wolken Ausschau. Im ganzen Februar war bislang noch kein einziger Tropfen Regen gefallen, und dem Himmel blieb noch ein Tag, um seine segnende Schuldigkeit in diesem Monat zu leisten.
    Intuitiv nahm Mosche wahr, dass sein Kollege Avner Stern neben dem Führerhaus stand und versuchte, gegen den Lärm der Maschinen anzubrüllen. Mosche zog verärgert den Hebel für die Hydraulik der Schaufel zurück und stoppte den Motor. Bitte nicht noch eine Verzögerung. Die Vorgaben der Baufirma sahen schon jetzt einen viel größeren Streckenabschnitt vor, als das, was sie bisher geleistet hatten. Die Architekten waren sich darüber im Klaren, welche Überraschungen die Verbreiterung der Umgehungsstraße um die Jerusalemer Altstadt mit sich bringen konnte, doch mindestens zwei Mal pro Stunde die Arbeit zu stoppen, um mögliche Reste alter Töpfe oder anderer nicht sehr bedeutsamer Ausgrabungsgegenstände aus früheren Zeiten zu bergen, ging für Mosche entschieden zu weit. Zumindest an diesem Tag, seinem vierzigsten Geburtstag, den er mit seinen Freunden und der Familie gebührend feiern wollte.
    65 Millionen Schekel waren von der Stadt bereitgestellt worden, um das Nadelöhr im Hinnomtal zu eliminieren. Da jeder Autofahrer nach Möglichkeiten suchte, die Jerusalemer Altstadt auf schnellstem Wege zu verlassen und ein Weg eben darin bestand, über das Kidrontal durch Ge’Hinnom, eine Talsenke, zu fahren, gab es hier regelmäßig Stau. Eigentlich war die Strecke idyllisch und von Grünanlagen umgeben, dem zunehmenden Verkehr aber waren die engen Spuren nicht mehr gewachsen. Morgen für Morgen und Abend für Abend das gleiche Szenario: hupende Fahrer, die die enge Taille um den Berg hinter der Altstadt bezwingen mussten. Nun endlich hatte die Baufirma von der Stadt grünes Licht für die längst fällige Verbreiterung bekommen. Um diesen Berg zu versetzen, reichte Glaube allerdings bei Weitem nicht aus. Erst recht nicht, da es sich um einen Berg handelte, der nach Auskunft der israelischen Altertumsbehörde (IAA) ursprünglich mit einer jüdischen Siedlung aus der Zeit 300 nach Jesu Geburt bebaut gewesen sein soll.
    Mosche war sich seiner Verantwortung durchaus bewusst: Es galt, mit äußerster Vorsicht Stein für Stein aus dem Fundament und den Seitenflächen des Hügels abzutragen. Doch der Termin der Fertigstellung stand ebenfalls fest. Und gerade für diese Gratwanderung wurde er gut bezahlt. Ob sein Chef Moriah das nun gern zugegeben hätte oder nicht: Alle wussten, dass Mosche der richtige Mann für diesen Job war. Er erkannte, selbst aus der Entfernung, welche Gesteinsarten er mit dem Bagger bewegte, weichen Kalksandstein oder Felsformationen wie Granit oder Feldspat. Er spürte er genau, ob sich die Schaufel mühelos durch das Material arbeitete oder gegen Widerstand stieß.
    »Ich hasse dieses gottverdammte Tal«, murmelte Mosche, als Avner ihn störte und riss die Tür des Führerhauses auf. »Was willst du denn schon wieder von mir?«
    »Brüll mich nicht so an. Ich habe die Bestimmungen auch nicht gemacht. Ich kenne das Pensum für diesen Tag genauso gut wie du.«
    »Okay, tut mir leid. Also, was gibt’s?«
    »Ich weiß es noch nicht genau. Du musst dir das mal anschauen. Als du den oberen Teil der Felskante freigelegt hast, ist mir eine Fläche aufgefallen, die anders aussieht als der Rest des lockeren Gesteins. Es ist glatt und scheint viel härter zu sein.«
    Mosche zwängte sich mit einem Raunen hinter dem schweißverklebten Lenkrad hervor und tauchte in die glühende Hitze des Spätnachmittags ein. Widerwillig folgte er seinem Freund auf die Anhöhe, die auf halber Höhe des ehemaligen Hügels befand. Ein großes Stück Arbeit lag hinter ihnen, der Blick nach vorn verriet, dass der Ärger mit ihrem Chef programmiert war.
    Avner hielt inne. »Hier, sieh dir das an!«
    Mosche stellte sich neben den Kollegen. Zu seiner Linken blickte er über die Weite des heiligen

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