Hueter Der Macht
ins Konklave, um einen neuen, frankreichfreundlichen Papst zu wählen? Als Engländer hasste Thomas die Franzosen beinahe ebenso sehr wie die Römer. Während mehrerer Feldzüge in seiner Jugend hatte er gegen sie gekämpft; sein Hass auf die Franzosen war genauso tief in ihm verankert wie seine Hingabe an Gott.
Daniel wand sich ein wenig, er konnte es offensichtlich kaum erwarten, anderen seine Neuigkeiten mitzuteilen. »Was meint Ihr, Bruder? Sollten wir nicht Prior Bertrand suchen?«
»Nein. Prior Bertrand kann nichts ausrichten – aber du und ich, wir müssen tun, was in unserer Macht steht, um die Zukunft des Papstes sicherzustellen.«
»Aber wie denn, Bruder?«
»Wahrscheinlich finden sich die Kardinäle schon in diesem Augenblick zusammen, um einen neuen Papst zu wählen, einen, der seinen Hof wieder zurück nach Avignon verlegt. Sie haben die Tore der Leostadt geschlossen, damit kein Wort über Gregors Tod an die Ohren des römischen Volkes dringt. Wenn die Bewohner Roms von seinem Tod erfahren, wird längst ein neuer Papst im Amt sein, und sie können nichts mehr ausrichten.«
»Aber…«
»Lauf so schnell du kannst zum unteren Marktplatz, Daniel, und verbreite dort die Nachricht, dass Gregor tot ist und dass sich die Kardinäle insgeheim zusammenfinden. Mach schon! Sofort!«
»Aber…«
»Keine Fragen mehr! Tu bitte, was ich dir sage! Die einzigen, die verhindern können, dass die Kardinäle die Geschicke des Papstes erneut in die Hände des französischen Königs legen, sind die Römer. Lauf jetzt! Los!«
Er ließ Daniel los und der Junge stürmte zur Tür hinaus.
Thomas lief hinter ihm her und trieb ihn zur Eile an. Als sie die Straße erreicht hatten, hielt Thomas nur lange genug inne, um sich zu vergewissern, dass der Junge tatsächlich zum unteren Marktplatz lief, bevor er selbst mit gerafftem Gewand zum Hauptmarktplatz rannte.
»Der Papst ist tot! Der Papst ist tot!«, rief er, wann immer er an einer Menschenansammlung vorbeikam.
Als Thomas den Hauptplatz erreicht hatte, war ihm die Nachricht bereits vorausgeeilt, und der Platz befand sich in wildem Aufruhr.
Den Menschen von Rom brauchte niemand zu erklären, was eine geheime Papstwahl bedeutete.
Innerhalb einer halben Stunde belagerte eine Menge von zehntausend Römern, die mit jeder Minute größer wurde, die Tore der Leostadt.
Aus Furcht um ihr Leben verloren die Wachen keine Zeit und öffneten die Tore.
Die Kardinäle, die sich bereits zum Konklave versammelt hatten, waren nicht schnell genug. Bevor sie ihre Stimmen abgeben konnten, strömten die Menschen durch die Türen.
Angesichts der bedrohlichen Lage fassten die Kardinäle den klugen Entschluss, die Wahl zu verschieben, bis der gesalbte Leichnam Gregor XI. bestattet war.
Immer noch missmutig, zerstreute sich die Menge langsam, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Kardinäle wirklich meinten, was sie sagten.
In Rom kehrte eine unbehagliche Ruhe ein, die bis zu dem Konklave, das zwei Wochen später stattfinden sollte, andauerte. Was die Römer anging, so wählten die Kardinäle entweder einen braven Italiener auf den Papstthron… oder sie starben.
Kapitel Drei
Die Oktave zu Mariä Verkündigung
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
(Donnerstag, 1. April 1378)
Rom sah beklommen der Wahl des neuen Papstes entgegen. Die Römer blieben aufsässig und misstrauisch: Als sie die Leostadt am Tag von Gregors Tod verlassen hatten, hatten sie die Tore abgebaut und weggetragen.
Kein verfluchter französischer Kardinal würde sie jemals wieder aussperren.
Ein stetes Kommen und Gehen aller Art von Menschen – Bauern aus dem Umland, Straßenhändler, Prostituierte, ausländische Pilger, Alte, arbeitslose Söldner, Liebende, Diebe, Ehefrauen, Angestellte, Waschfrauen, Schulmeister und ihre Schüler – war im ganzen Dombezirk zu beobachten.
Die Drohung war nicht einmal versteckt. Die Menschen riefen sie regelmäßig durch die Fenster der an den Petersdom angrenzenden Gebäude: Wählt einen römischen Papst, einen braven Italiener, oder wir kommen herein und bringen euch um.
Die Kardinäle hatten einen Henkersblock und eine Axt in den Petersdom bringen lassen, als deutliche Antwort für das Volk: Greift uns an, und wir werden euch vernichten.
Es gab sogar das Gerücht, die Kardinäle hätten die Schätze aus den päpstlichen Gemächern und dem Petersdom in die befestigten Gewölbe der Engelsburg bringen lassen. Tatsächlich
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