Hüter der Macht
bei dem Streit überhaupt?«
»Um die stolze Summe von achthundert Florin. So hoch war nämlich die Mitgift, die Rovantini gezahlt hat, als seine Tochter Alessandra vor vier Jahren Taddeo, den jüngeren Bruder von Scalessi, geheiratet hat.«
»Und?«
»Bedauerlicherweise ist Taddeo vor acht Wochen bei einem schweren Reitunfall gestorben. Als Witwe hat Alessandra, die inzwischen Mutter von zwei kleinen Kindern ist, Anspruch darauf, dass die Mitgift zurückgezahlt wird. Aber Scalessi weigert sich, das Geld herauszurücken. Und Rovantini braucht das Geld, weil er es sich nicht leisten kann, noch einmal eine so stattliche Mitgift zu zahlen, um seine Tochter wieder unter die Haube zu bringen. Ich denke, du verstehst, warum Rovantini auf raschen Beistand angewiesen ist«, sagte Averardo.
Sandro nickte.
Inzwischen hatten sie sich einem tiratoio, einer hohen, lang gezogenen Holzhalle genähert, in der Tuche gefärbt und unter dem Dach zum Trocknen aufgehängt wurden.
»Aber wie wollt Ihr diesen Scalessi …«
»Still!«, fiel Averardo ihm ins Wort. In diesem Augenblick löste sich eine Gestalt vor ihnen aus dem tiefen Schlagschatten und trat ihnen entgegen.
»Ist alles bereit, Pigello?«, fragte der Medici leise.
»Ja, Herr. Wie Ihr es angeordnet habt«, gab der Fremde mit gedämpfter Stimme zurück. »Nicolas ist bei ihm und hilft ihm. Ich glaube nicht, dass er noch lange durchhält.«
Averardo lachte kurz und trocken auf. »Umso besser. Ich schicke ihn gleich hinaus zu dir. Haltet Augen und Ohren offen, bis wir mit ihm fertig sind.«
Es war zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, doch Sandro sah, dass Averardo dem Mann, der auf den Namen Pigello hörte, etwas zusteckte. Er nahm an, dass es sich um einen Geldbeutel handelte. Beklemmung erfasste ihn und er musste ein paarmal tief durchatmen.
»Ihr könnt Euch wie immer auf uns verlassen, Herr«, versicherte Pigello, trat zurück und öffnete eine Tür. Ein schwacher Lichtschein fiel aus dem Innern zu ihnen in die Nacht.
Averardo gab Sandro einen Wink, ihm in die Färberhalle zu folgen, während Pigello leise hinter ihnen die Tür schloss.
Sandro sah als Erstes lange Tücher, die von Stangengerüsten unter der Decke der Halle herabhingen und die mithilfe eines Seilzuges hochgezogen und wieder heruntergelassen werden konnten. Dahinter zeichneten sich die Umrisse von großen Holzbottichen ab, in denen die Stoffe eingefärbt wurden. Es roch stark nach guado, dem indigoblauen Färberwaid, und nach robbia, das dem Tuch seine rote Farbe gab. Am hinteren Ende der Bottichreihe war ein Lichtschein zu erkennen und erstickte Laute und eine höhnisch klingende Stimme, deren Worte jedoch nicht zu verstehen waren, drangen zu ihnen herüber.
Sandros Unruhe wuchs.
Averardo griff in einen Beutel und holte etwas hervor. »Hier, schieb dir das zwischen Wangen und Unterkiefer und die Holzklemme steckst du dir auf die Nase«, forderte er Sandro auf und drückte ihm zwei flache Kieselsteine und ein kleines u-förmiges Stück Holz in die Hand.
Sandro schluckte. »Und wozu soll das gut sein?«, raunte er, obwohl er schon ahnte, was Averardo damit bezweckte.
»Es ist zu deiner eigenen Sicherheit. Mit den Kieseln im Mund und der Klemme auf der Nase würde nicht einmal deine eigene Mutter deine Stimme wiedererkennen.«
»Aber mein Gesicht …«
»… wird der gemeine Betrüger dank dieser hübschen venezianischen Karnevalsmasken ebenso wenig zu sehen bekommen wie mein anmutiges Antlitz«, fiel Averardo ihm ins Wort, während er zwei Seidenmasken zum Vorschein brachte, die das hämische Grinsen eines abstoßend teuflischen Gesichtes zeigten.
Sandro zögerte.
»Was ist? Bist du dir auf einmal nicht mehr sicher, ob du bedingungslos zum Haus Medici gehören willst?«, fragte Averardo leise.
»Natürlich bin ich mir dessen sicher!«, sagte Sandro schnell. »Nur …«
»Nur was?«
Sandro schluckte schwer. »Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann bin für das, was Ihr mit diesem Scalessi zu tun beabsichtigt.«
»Hör zu, ich habe nicht vor, diesem dreckigen Betrüger die Kehle durchzuschneiden, falls du das befürchten solltest, auch wenn er es verdient hätte. Ein toter Scalessi kann ja wohl kaum die Mitgift herausrücken, die er Rovantinis Tochter schuldet«, sagte Averardo barsch. »Aber überzeugen muss ich ihn schon, dass er gut daran tut, die achthundert Florin zurückzuzahlen, und das werde ich wohl kaum schaffen, wenn ich ihm freundlich ins Gewissen rede. Merk dir eins:
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