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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sagte er gelassen. »Für uns dürfte weitaus interessanter sein, welche Namen die Albizzi aus den Wahlbeuteln haben ziehen lassen.«
    Poggio Bracciolini zählte die Namen der neuen Prioren auf.
    »Nun, Bartolomeo Spini und Jacopo Berlinghieri stehen ohne jeden Zweifel auf unserer Seite«, erwiderte Cosimo nachdenklich, als er geendet hatte. »Und die anderen sechs schulden mir allesamt eine Menge Geld.«
    »Sie als unsere Schuldner zu wissen kann in diesem Fall auch von Nachteil sein.« Lorenzos Miene verzog sich besorgt, doch Cosimo winkte nur ab. »Und wer ist zum Gonfaloniere ernannt worden?«, erkundigte er sich stattdessen.
    »Die Marionette der Albizzi heißt Bernardo Guadagni. Rinaldo war mit dessen Vater eng befreundet, wie ihr euch vermutlich noch erinnert.«
    Averardo runzelte die Stirn. »Aber der hatte doch einige Hundert Florin Steuerschulden! Man hätte ihn gar nicht erst zur Wahl zulassen dürfen.«
    Poggio lachte freudlos auf. »Richtig und dreimal dürft ihr raten, wer rechtzeitig vor der Wahl die Steuerschuld für Guadagni bezahlt hat.« Er gab die Antwort gleich selbst. »Rinaldo hat noch nicht einmal den Versuch unternommen, die Bestechung geheim zu halten! Wie schon der weise Alkaios sagte: An der Klaue erkennt man den Löwen! Doch in diesem Fall muss man den Löwen durch eine Hyäne ersetzen!«
    »Rinaldo scheint nervös zu werden«, sagte Cosimo. Noch immer hatte seine Stimme sich nicht gehoben. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. »Und wer nervös wird und den Kopf verliert, der macht leicht Fehler, die nicht wiedergutzumachen sind.«
    Averardo schien seine Einschätzung ebenso wenig zu teilen wie Lorenzo. Er sprang auf und ging erregt hin und her. »Mir sieht das eher danach aus, dass Rinaldo die Signoria für die nächsten beiden Monate unter seine Kontrolle gebracht hat, damit er endlich offen gegen uns losschlagen und sich seines Sieges sicher sein kann.«
    Lorenzo nickte. »Es geht jetzt nicht länger nur um eine üble Kampagne gegen uns, wie er und seine Busenfreunde Ridolfo Peruzzi und Niccolò Barbadori sie bisher gegen uns betrieben haben. Jetzt hat er die Signoria hinter sich und kann deren Macht als Waffe gegen uns richten, Cosimo!«, sagte er beschwörend.
    »So sehe ich das auch.« Averardo konnte immer noch nicht stillstehen. »Ich mache jede Wette, dass Rinaldo zu einem vernichtenden Schlag gegen uns ausholt, sobald die neuen Prioren und Bernardo Guadagni ihre Ämter im Palazzo Vecchio angetreten haben.« Er ging zu Cosimo und beugte sich zu ihm vor. »Wir sollten sofort etwas unternehmen! Auf jeden Fall müssen wir schnellstens nach Florenz zurückkehren. Die Lage in der Stadt ist brandgefährlich!«
    Cosimo schüttelte bedächtig den Kopf. »Rinaldo mag glauben, dass er jetzt das Ruder in der Hand hält, aber das wird sich als Irrtum erweisen«, widersprach er mit ruhiger, aber energischer Stimme. »Die Albizzi sind reiche Großgrundbesitzer, das mag sein, aber sie verstehen nicht, dass die wahre Macht längst in den Händen einer neuen Generation liegt – und zwar in denen von Bankiers wie uns Medici, deren Geld Grenzen überwindet und eine Sprache spricht, die alle verstehen. Nein, wir werden nichts unternehmen, sondern uns weiterhin still verhalten. Denn wer in diesem gefährlichen Spiel den ersten Zug macht, der wird verlieren – und vermutlich nicht nur seine Macht und sein Geld, sondern höchstwahrscheinlich auch seinen Kopf auf dem Schafott.«

4
    D iese letzten Augusttage sollten Sandro für immer als die sprichwörtlich trügerische Ruhe vor dem Sturm in Erinnerung bleiben. Bis auf Cosimo de’ Medici, der eine unerschütterliche Ruhe an den Tag legte und damit seinen Cousin Averardo fast zur Weißglut brachte, litten alle unter Rastlosigkeit, nervöser Anspannung und unruhigem Schlaf. Niemand wusste, was geschehen würde, wenn die neue Regierung in den Palazzo Vecchio einzog und ihre Geschäfte aufnahm, doch jeder ahnte, dass die Folgen schwerwiegend sein würden. Das Unheil kündigte sich schließlich durch einen Boten der Signoria an. Dieser traf am 2. September 1433, genau einen Tag nach der Vereidigung der neuen Regierung, auf dem Landsitz im Mugello ein. Er überbrachte ein Schreiben, das von mehreren Prioren und dem Gonfaloniere Guadagni unterschrieben war. Es war an Cosimo de’ Medici gerichtet. Darin baten die Prioren in höchst ehrerbietigen Formulierungen, der berühmte Cosimo de’ Medici möge doch der Signoria

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