Hüter der Macht
die große Güte erweisen, der Eröffnungssitzung eines neu gegründeten Komitees beizuwohnen, die für den Vormittag des 7. September anberaumt sei. Man berate wichtige Staatsgeschäfte zum Wohl der bedrängten Kommune und die Signoria halte seinen Rat für unverzichtbar.
Cosimo setzte ein kurzes Antwortschreiben auf, in dem er seine Teilnahme an der Sitzung zusagte, und schickte den Boten damit zurück nach Florenz.
Kaum hatte der Reiter das Gut verlassen, bestürmten die Verwandten und Freunde das Oberhaupt der Familie. Er dürfe dem Wunsch der Signoria seinem Schreiben zum Trotz auf keinen Fall nachkommen!
»Das kann eine Falle sein«, warnte Averardo. »Zum Teufel, das ist eine Falle!«
Das vermutete auch Lorenzo. »Dieses Schreiben ist doch bloß eine zuckersüß verklausulierte Vorladung, Cosimo! Wenn du ihr Folge leistest, begibst du dich in die Höhle des Löwen und bringst dein Leben in Gefahr!«
»Ihr alle übertreibt maßlos«, erwiderte Cosimo mit einer Ruhe, die den anderen unverständlich war.
»Ganz und gar nicht«, beharrte sein Bruder. »Selbst wenn es keine Falle ist, wäre es höchst unklug von dir, zu dieser Sitzung zu erscheinen. Rinaldo wird dich vor der Signoria angreifen, weil wir angeblich den Lucca-Feldzug hintertrieben haben. Er wird dich im Verlauf der Debatte zum Hauptschuldigen an der Katastrophe stempeln! Rinaldos Speichellecker Peruzzi und Barbadori verbreiten diese bösartigen Gerüchte ja schon seit einiger Zeit.«
Poggio Bracciolini nickte. »Man munkelt sogar, dass die Partei der Albizzi einen Umsturz plant und die Macht offen an sich reißen will. Aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, wird es für Rinaldo ein Leichtes sein, den Eindruck zu erwecken, als wäre deine Schuld an der prekären Lage der Kommune so gut wie bewiesen! Auf so eine Gelegenheit hat dieser Hund doch nur gewartet!«
Cosimo lächelte in die Runde. »Eure Sorge ehrt euch, aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Deshalb brauche ich auch keine Untersuchung zu fürchten, wenn es denn überhaupt dazu kommen sollte. Zudem wäre es ein Zeichen von Schwäche, ja, es käme fast einem Schuldeingeständnis gleich, wenn ich nicht erscheinen würde. Denn damit würde ich Rinaldo den Trumpf in die Hände spielen, der ihm jetzt noch fehlt. Schon Seneca hat gesagt, dass die Haltung den Edelmann macht, nicht die Abstammung.«
»Was nichts daran ändert, dass dich diese noble Haltung den Kopf kosten kann!«, sagte Averardo grimmig.
Doch Cosimo ließ sich nicht beirren. »Nein, ich habe mein Wort gegeben, dass ich der Aufforderung der Signoria Folge leisten werde, und ein Medici bricht sein Wort nicht!«
Cosimo ließ noch zwei Tage verstreichen, bevor er mit wenigen Getreuen nach Florenz zurückkehrte. Vorher traf er einige Entscheidungen für den Fall, dass sich die Einladung zur Eröffnungssitzung des neuen Ausschusses doch als Falle herausstellen sollte. Er schickte Lorenzo mit seinen beiden Söhnen Piero und Giovanni und mit einigen anderen Verwandten nach Venedig.
Für Sandro hatte er eine andere Aufgabe. Er rief nach ihm und beauftragte ihn damit, nach Pisa zu reiten und dem Söldnerführer Niccolò da Tolentino eine Botschaft zu überbringen. Tolentino war der einzige namhafte Condottiere, der zurzeit im Sold der Stadt stand, diesen aber nicht von der Kommune, sondern von Cosimo ausgezahlt bekam. Sandro sollte ihm ausrichten, dass er seine Landsknechte sammeln und sich mit ihnen in die Nähe von Florenz begeben sollte. Ohne ausdrücklichen Befehl von Cosimo sollte Tolentino jedoch auf keinen Fall etwas unternehmen.
»Mach ihm klar, dass es katastrophale Folgen für uns haben kann, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, wir würden mithilfe von Tolentino einen gewaltsamen Umsturz planen«, trug er Sandro auf. »Er soll sein Lager weit genug von der Stadt entfernt aufschlagen, damit sein Abzug aus Pisa und der Vormarsch in Richtung Florenz nicht wie eine Bedrohung aussehen.«
Sandro nickte und wollte sich schon eilig verabschieden, um Vorbereitungen für seine Reise zu treffen, als Cosimo ihn noch einmal zurückhielt. »Du kehrst auf jeden Fall nach Cafaggiolo zurück. Averardo bleibt hier und wird alles Weitere entscheiden, je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. Erst danach machst du dich auf den Weg nach Florenz. Aber geh auf keinen Fall in unsere Bank. Halte dich an deinen Freund Matteo. Er muss wissen, wo du bist, damit ich dich über ihn erreichen kann.«
Wenig später galoppierte Sandro mit
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