Hüter der Macht
und dass Rinaldo alles in seiner Macht Stehende versuchen würde, um seinen Tod herbeizuführen.
In die Furcht um sein Leben mischte sich immer wieder Zorn auf die Prioren. Alle hatten hohe Kredite bei ihm aufgenommen, ihm für seine Großzügigkeit in Zeiten finanzieller Bedrängnis gedankt. Und nun? Wie falsche Schlangen hatten sie ihn hintergangen! Sollten sie für ihre Arglist auf ewig in der Hölle schmoren!
Plötzlich schreckte er hoch. Die beiden Eisenriegel vor der Tür wurden zurückgeschoben, ein Schlüsselbund klirrte und das Schloss klackte laut in seinem Gehäuse. Dann wurde die Bohlentür aufgeschoben.
Es war Federigo Malavolti, der zu ihm in die Zelle trat. Der Hauptmann trug eine Öllampe und einen großen, flachen Weidenkorb herein. Darin befanden sich Schüsseln und Töpfe, dazu ein Krug mit frischem Wasser.
»Ich bringe Euch das Abendessen, Ser Cosimo«, sagte Malavolti und stellte die Lampe auf den Tisch. Als er beginnen wollte, die Schüsseln und Töpfe, denen ein köstlicher Duft entströmte, aus dem Korb zu nehmen, hielt Cosimo ihn zurück.
»Spart Euch die Mühe. Bis auf das Brot und das Wasser könnt Ihr alles wieder mitnehmen.«
»Seid Ihr Euch sicher?«
»Und ob ich mir sicher bin!«, erwiderte Cosimo grimmig. »Ich werde nicht dieselben Speisen essen wie die Prioren und der Gonfaloniere.« Das Essen kam aus der Palastküche. Die Prioren und der Gonfaloniere waren gemäß der Verfassung gezwungen, während ihrer zweimonatigen Amtszeit im Palazzo Vecchio zu wohnen. In dieser Zeit sorgte eine vielköpfige Dienerschaft dafür, dass es ihnen an nichts fehlte und dass ihnen jeder nur denkbare Luxus geboten wurde.
Der Hauptmann machte eine kummervolle Miene. »Aber Ihr könnt doch nicht auf Brot und Wasser beharren, Herr! Ihr müsst bei Kräften bleiben. Gott allein weiß, wie lange man Euch hier noch festhalten wird.«
»Gott allein?«, fragte Cosimo vieldeutig. »Wisst Ihr so genau, was in der Palastküche geschieht? Ob in diesen Schüsseln und Töpfen wirklich die Speisen sind, die auch die Prioren vorgesetzt bekommen?«
Malavolti sah ihn erstaunt an.
»Sagt mir lieber, was sich da unten im Ratssaal und in der Stadt tut. Bestimmt ist Euch das eine oder das andere zu Ohren gekommen.« Malavolti hatte ihn bisher mit großem Respekt behandelt und Cosimo hatte den Eindruck, dass er es hier mit einem Florentiner Bürger zu tun hatte, der das Tun der Signoria im Grunde genommen für schändlich hielt, obschon er seiner Pflicht gewissenhaft nachkam.
»Ihr wisst, dass es mir verboten ist, mit Euch darüber zu sprechen«, sagte der Hauptmann der Palastwache, doch Bedauern klang in seiner Stimme mit. »Ich wünschte, es wäre anders, aber ich habe der Signoria mein Wort geben müssen, dass ich über alle Vorgänge, die Euch betreffen, Stillschweigen bewahre.«
Cosimo seufzte. »Dann habt Ihr mehr Ehre im Leib als die Priorenschaft und der Gonfaloniere zusammen«, erwiderte er verbittert. »Aber dass Ihr über diese Angelegenheit nicht sprechen könnt, bedeutet nicht, dass Ihr mir nicht zuhören und wortlos eine Antwort geben dürft, nicht wahr?«
Malavolti fürchte die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt, Ser Cosimo.«
»Nun, wer hindert Euch daran, zu nicken oder den Kopf zu schütteln, wenn ich Euch eine Frage stelle? Oder hat man Euch auch einen heiligen Eid darauf schwören lassen, dass Ihr Euren Kopf unter allen Umständen still halten müsst?«
Ein kaum merkliches Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Hauptmanns. »Nein, einen solchen Eid habe ich nicht geschworen. Ich wüsste auch keinen, der seinen Kopf immer still halten kann.«
Cosimo nickte zufrieden. »Gut, dann lasst mich laut nachdenken und fragen, während Ihr mir den Wasserkrug auf den Tisch stellt und das Brot dazulegt.« Er räusperte sich. »Hat Rinaldo degli Albizzi bei den Beratungen der Signoria die Kontrolle übernommen?«
Der Hauptmann zögerte kurz und nickte dann.
»Will er meinen Kopf?«
Diesmal kam Malavoltis Nicken sofort und nachdrücklich.
»Wird er ihn bekommen?«
Unschlüssig wiegte er den Kopf hin und her.
Cosimo lachte trocken auf. »Es ist also noch nicht alles verloren. Ob ich mit dem Leben davonkomme, wird wohl davon abhängen, welche Stimmung im Volk herrscht. Ist das Volk gegen mich und das Haus Medici?«
Malavolti überlegte einen Augenblick lang, dann schüttelte er den Kopf.
Cosimo verzog das Gesicht. »Ich verstehe. Das Volk ist noch nicht gegen
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