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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Staatsgeschäfte führt. Ihr Ansehen schmilzt dahin wie Butter in der Sonne. Noch klammern sie sich an die Macht, aber man sagt, dass sie ihnen allmählich aus den Händen gleitet. Es sollen sogar schon erste mutige Stimmen laut geworden sein, die die Verbannung der Medici als einen Fehler, ja als ein Unrecht bezeichnet haben.«
    »Das ist ja eine wunderbare Nachricht!«, sagte Tessa frohgemut. »Dann wird die Verbannung schon bald aufgehoben, nicht wahr?«
    Carmela strich ihr über die Haare. »Ich wünschte, ich könnte dir berechtigte Hoffnungen machen, dass es bald dazu kommt. Aber das wäre nicht richtig.« Sie schüttelte den Kopf. »Gott allein weiß, wie dieser Machtkampf ausgeht. Dieses Tauziehen kann noch lange dauern. Und wozu die Albizzi fähig sind, wenn es wirklich dazu kommt, dass die Signoria die Verbannung der Medici aufhebt, das ahnt niemand. Ein gewaltsamer Umsturz ist ihnen jedenfalls allemal zuzutrauen, zumal sie ja die Rache des Medici fürchten müssen, wenn sie ihn ungehindert nach Florenz zurückkehren lassen.«
    Tessa sank in sich zusammen. Wie dumm sie gewesen war. Aber für einen Moment hatte sie wirklich geglaubt, dass ein Wunder geschehen würde und Sandro doch noch einen Weg zu ihr zurückfinden würde.
    »Möglich ist es ja noch immer«, versuchte Carmela ihr Mut zu machen. Offenbar ahnte sie, was in Tessas Kopf vor sich ging. »Zumal ich gute Neuigkeiten von Jacopo bringe.«
    Tessa horchte auf.
    »Er lässt dir ausrichten, dass er an einem Plan arbeitet, in dem die Hebamme, die bei Geburten im Gefängnis stets gerufen wird, wohl eine wichtige Rolle spielen soll.«
    »Diese schreckliche glupschäugige Person Piera Tossa, die nicht nur Haare auf der Oberlippe, sondern auch auf den Zähnen hat?«, fragte Tessa ungläubig.
    Carmela zuckte mit den Achseln. »Sie mag nicht die Freundlichkeit und Feinfühligkeit in Person sein, aber Jacopo wird schon seine Gründe haben, warum ihr in seinem Plan große Bedeutung zukommt.«
    Tessa nickte. Sie vertraute ihren Freunden und doch hatte sie Mühe, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Bis zu ihrer Niederkunft standen ihr noch fast drei Monate in diesem entsetzlichen Kerkerloch bevor! Aber schon im nächsten Moment schämte sie sich. Denn durfte sie jetzt nicht zum ersten Mal seit ihrer Verhaftung wirklich berechtigte Hoffnung haben, dass wenigstens ihr Kind gerettet wurde? Jacopo verfolgte endlich einen Plan, und wenn diese verbiesterte Hebamme Piera Tossa dabei eine wichtige Rolle spielte, dann hatte sie allen Grund, auch ihr dankbar zu sein!
    Carmela hatte inzwischen Sandros Briefe aus ihrem Rock hervorgezogen. Diesmal blieb ihr sogar so viel Zeit, dass sie sie auf Tessas Bitte hin ein zweites Mal vorlesen konnte, und wieder spendeten die Zeilen Tessa unendlichen Trost, auch wenn sie gleichzeitig eine quälende Sehnsucht in ihr wach riefen, die sie mitten ins Herz traf.
    Die Freundin spürte, was in ihr vorging, und ließ die Briefe sinken. »Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass Lionetto Vasetti schon bald wieder heiraten wird, und zwar die blutjunge Tochter eines reichen Wollhändlers?«, fragte sie, um Tessa abzulenken. Draußen näherten sich bereits die Schritte des Kerkermeisters im Gang. »Und einen neuen Palazzo will er sich auch bauen lassen. In der Via dei Cresci soll er stehen. Er hat dort mehrere alte Häuser aufgekauft, die bald abgerissen werden, damit Platz geschaffen wird für seinen Palazzo.«
    »Möge er an seinem Geld ersticken!«, stieß Tessa grimmig hervor, dann war der Kerkermeister da und setzte der kostbaren Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten, ein harsches Ende.
    Während Tessa sich auf ihr Lager kauerte und versuchte, Sandros Worte in ihrem Herzen zu bewahren, eilte die Köchin aus den stinkenden Eingeweiden des Gefängnisses hinaus in das helle Licht des warmen Apriltages.
    Tief atmete sie durch und sog all das Leben ein, das dort unten in dem finsteren Kerker ausgesperrt war.
    Entschlossen gab sich Carmela einen Ruck und traf eine Entscheidung, mit der sie lange gerungen hatte.
    Schließlich wandte sie sich um und machte sich eiligst auf den Weg nach Santo Spirito. Sie musste unbedingt noch einmal mit Jacopo sprechen.

12
    G edankenversunken stand Sandro am offenen Fenster des prächtig ausgestatteten Raums, der Cosimo als Arbeitszimmer diente, und wartete auf die Rückkehr seines Dienstherrn, der inzwischen fast ein Freund geworden war.
    Der Raum, den man schon fast einen Saal nennen konnte,

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