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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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in ihr wuchs. Sie erzählte ihm von seinem Vater, der sie einst so tapfer gerettet hatte und der nun in der Verbannung an der Seite des mächtigen Cosimo de’ Medici gegen einflussreiche Feinde kämpfte. Das half ihr, wenigstens für eine Weile der qualvollen Wirklichkeit zu entfliehen und in eine Traumwelt einzutauchen, in der sie mit Sandro vereint war.
    Einmal, es schien ihr Stunden, ja Tage her zu sein, seit sie das letzte Mal etwas zu essen bekommen hatte, hörte sie, wie schwere Stiefel die Treppe herunterpolterten und sich der kurze Gang zu ihrem Kerkerloch von einem Laternenlicht erhellte. »Fünfzehn Minuten, mehr kann ich dir nicht zugestehen«, hörte sie plötzlich den Kerkermeister sagen. »Ich riskiere sowieso schon meinen Kopf, dass ich überhaupt jemanden zu der Giftmischerin lasse. Lionetto Vasetti hat mir den strikten Befehl erteilt, niemandem eine Besuchserlaubnis zu erteilen!«
    Tessa hob den Kopf. Sie spürte, wie ihr Herz anfing, schneller zu schlagen.
    »Ich werde mich an unsere Vereinbarung halten, auch wenn sie nicht gerade billig zu haben war, Meister Vicenzo«, entgegnete eine Frauenstimme.
    Das war doch – Carmela! Tessa richtete sich mühsam von ihrem Lager auf und versuchte, im trüben Licht der Fackel etwas zu erkennen. Ihre Augen waren von der ständigen Dunkelheit überreizt und sehr empfindlich. »Carmela? Bist du es?«, brachte sie über die trockenen Lippen und erschrak selbst, wie kläglich ihre Stimme klang.
    »Ja, ich bin es, mein Kind.«
    Der Kerkermeister schloss die Tür auf, gab Carmela eine zweite Laterne und ließ sie eintreten. Dann verriegelte er hinter ihr die Tür und entfernte sich.
    Tessa kämpfte mit den Tränen, als Carmela sich zu ihr hinunterkniete und sie in ihre kräftigen Arme nahm. »Mein armes Kind, was hat man dir angetan! Pest und Krätze über Lionetto Vasetti, der dich für sein Verbrechen büßen lässt!«
    »Dann weißt du, dass nicht ich Fiametta vergiftet habe, sondern dass er den Mord begangen hat?« Jetzt rannen die Tränen haltlos über Tessas Wangen.
    »Natürlich weiß ich das! Nie im Leben würdest du so etwas Abscheuliches tun. Und bestimmt bin ich nicht die Einzige bei uns im Haus, die den wahren Mörder kennt«, versicherte ihre Freundin und gab sie aus ihrer Umarmung frei. »Dieser Lionetto Vasetti! Wie geschickt er alles eingefädelt hat! Und wie perfekt er den trauernden Witwer spielt! Widerlich! Aber selbst wenn man uns danach fragen würde, was Lionetto natürlich leicht zu verhindern wüsste, könnte unser aller Leumundszeugnis vor Gericht nichts daran ändern, dass die Beweise dich schuldig sprechen. Dieser Teufel ist einfach zu geschickt vorgegangen, um ihm die Tat nachweisen zu können!« Sie sah Tessa traurig an.
    »Ach, Carmela«, sagte Tessa mutlos. »Mein Schicksal ist besiegelt und ich tue gut daran, mich nicht in Wunschträume zu verlieren, die nie Wirklichkeit werden können.«
    Carmela strich ihr über die Wange. »Du bist so tapfer, mein Mädchen.«
    Tessa lächelte schwach. »Und es ist mir ein solcher Trost, dass du gekommen bist, Carmela. Sag, wie hast du es nur geschafft, den Kerkermeister dazu zu bringen, dich vorzulassen?«
    »Zum Glück kennt Jacopo jemanden, der sich gut mit Vicenzo Moravi versteht. Natürlich hat ein Bestechungsgeld aus Jacopos Börse eine gewichtige Rolle gespielt. Man mag über Jacopo denken, was man will, aber wenn es um deinen Sandro geht, dann ist Verlass auf ihn.«
    Carmela setzte sich neben Tessa auf die Decke und nahm sie fest in den Arm. Dann deutete sie auf ihren vorgewölbten Leib. »So, und nun sag mir, warum du es mir verschwiegen hast, dass du ein Kind von Sandro unter dem Herzen trägst!«
    »Sei mir nicht böse, liebe Carmela. Ich hätte es dir bestimmt gesagt«, beteuerte Tessa. »Ich weiß es erst mit Sicherheit, seit ich hier im Kerker bin. Sie haben eine Hebamme geschickt, die mich untersucht hat.«
    Carmela nickte. »Gott sei gelobt, dass du wirklich schwanger bist, denn andernfalls würdest du jetzt nicht mehr am Leben sein«, sagte sie bedrückt. Aber dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Wenigstens verschafft uns das Zeit«, sagte sie. »Deine Schwangerschaft gibt Jacopo Zeit, irgendeinen Plan auszuarbeiten, wie man dich und nun auch dein Kind retten kann.«
    Tessa griff sofort nach diesem dünnen Faden der Hoffnung. »Hat er das wirklich vor?«
    »Ja, aber im Augenblick ist er noch ratlos, wie er das anstellen soll. Wärst du nur eine gewöhnliche Diebin oder Betrügerin,

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