Hüter der Macht
einflussreichen Adeligen angeblich vorgeschlagen hatte, ein Bündnis mit all denen einzugehen, denen man die Bürgerrechte entzogen hatte. Er wollte mit aller Gewalt seine Macht verteidigen und verhindern, dass die Medici und ihre Gefolgsleute wieder die Oberhand in der Stadt gewannen. Aber wie es hieß, war die Mehrheit vor diesem Schritt zurückgeschreckt. Rinaldo habe ihnen daraufhin vorgeworfen, sie würden ihm in den Rücken fallen, weil sie sich von Cosimo de’ Medici hätten kaufen lassen, womit er nicht ganz falsch lag, wie Sandro mit einem bitteren Grinsen vermutete.
Was dem verzweifelten Ringen der Albizzi mit den immer stärker werdenden Gegnern einen weiteren Schlag versetzte, nahm seinen Anfang im fernen Rom. Dort entbrannte zwischen Papst Eugenius IV. und den Verbündeten seines Vorgängers ein Krieg, in dessen Verlauf Eugenius eine Kirchenprovinz nach der anderen verlor. Schließlich brach in Rom ein Aufstand gegen den Papst aus und er sah sich zur Flucht gezwungen. Über Ostia gelangte er nach Florenz, wo der Pontifex maximus Aufnahme im Kloster Santa Maria Novella fand und seine Kurie dorthin verlegte. Das schwächte die auch so schon wankende Stellung der Albizzi. Denn obwohl Eugenius sich hütete, offen Partei zu ergreifen, war doch jedem bekannt, dass er und seine reiche Kaufmannsfamilie zu den wichtigen Kunden der Medici gehörten.
Die Zeit der Albizzi näherte sich ihrem Ende, so unaufhaltsam, wie die feinen Körnchen durch eine Sanduhr rannen, und ähnlich unaufhaltsam näherte sich auch die Stunde von Tessas Niederkunft.
15
K opfschüttelnd warf Sandro die Karten auf den Tisch und kratzte sich durch den Vollbart, den er sich in den vergangenen Wochen hatte wachsen lassen. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu!«, grollte er, während Jacopo die Silbermünzen einstrich, die er soeben gewonnen hatte. Von unten aus dem Schankraum drangen Gelächter und Stimmengewirr der nächtlichen Zecher zu ihnen herauf. »Bist du sicher, dass du nicht mit gezinkten Karten spielst?«
Jacopo grinste. »Bei meiner Gaunerehre, das Kartenspiel ist sauber! Du bist nur nicht richtig bei der Sache. Du musst dir die Karten merken, die schon gefallen sind.«
»Wie soll ich mich gegen einen so gewieften Spieler wie dich behaupten können, wenn ich immer nur an Tessa denken muss?«, brummte Sandro. »Jeden Augenblick kann die Nachricht von der Hebamme kommen, dass die Wehen einsetzen.« Mittlerweile war es Juni geworden, der Monat, in dem das Kind zur Welt kommen musste.
Jacopo zuckte mit den Achseln. »Es bringt nichts, sich den Kopf zu zermartern, wann es endlich losgeht und was alles schiefgehen könnte. Wir haben unseren Plan immer und immer wieder durchgesprochen und alles vorbereitet. Wobei ich immer noch dagegen bin, dass du dich mit ins Gefängnis wagen willst.«
Energisch schüttelte Sandro den Kopf. »Nein, ich komme mit, Jacopo. Ich muss sie wiedersehen. Wer weiß, ob es nicht …« Er brach ab, denn er vermochte den entsetzlichen Gedanken nicht auszusprechen.
»… das letzte Mal ist. Nun ja, das mag sein«, gab Jacopo zu. »Ich will dir auch gar keine falschen Hoffnungen machen. Wie man es dreht und wendet, wir haben bislang keinen Ausweg gefunden. Aber das Leben hat mich gelehrt, dass …«
Er kam nicht dazu, ihm zu sagen, was ihn sein Leben gelehrt hatte. Denn in dem Moment hörten sie das Knarren von Dielenbrettern.
Sofort sprang Sandro auf und zog sich in die angrenzende Kammer zurück, wo Jacopos Bett stand.
Während Jacopo noch Karten und Münzen auf dem Tisch zusammenraffte und in seiner Tasche verschwinden ließ, klopfte es auch schon an der Tür.
»Wer ist da?«
Eine Mädchenstimme antwortete. »Die Hebamme Piera Tossa schickt mich. Ich soll Euch ausrichten, dass man sie ins Gefängnis gerufen hat und dass Ihr Euch beeilen müsst!«
»Warte!«, rief Jacopo zurück, ging zur Tür, öffnete sie und drückte dem abgerissen aussehenden Mädchen ein paar Piccioli in die Hand. »Sag der Hebamme, dass ich gleich komme und dass sie am vereinbarten Ort auf mich warten soll. Und die Münzen behältst du für dich, verstanden? Und nun lauf!«
»Ich danke Euch!« Das Mädchen strahlte ihn überglücklich an, ballte die kleine Faust um die Piccioli und lief flink die Treppe hinunter.
Jacopo schloss die Tür und zog eine armlange und beinahe kniehohe Holzkiste mit gebogenem Deckel unter dem Waschtisch hervor. »Beeil dich, Sandro! Wir haben keine Zeit zu verlieren!«, rief er.
»Ich bin gleich
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