Hüter der Macht
ließ sie auf die Tischplatte fallen. »Das sind dreihundert Goldflorin, Jacopo!«
Jacopo schüttelte den Kopf. »Keiner von denen wird seinen Kopf dafür riskieren, auch nicht für das Doppelte, glaub mir. Ich habe Zeit genug gehabt, Erkundigungen über Vicenzo Moravi einzuziehen. Der Kerl ist ein Spieler und ein lausiger dazu, der sich immer wieder in Geldnöte bringt, aber ob uns das was nützt? Ich fürchte, der hat viel zu viel Angst, sich auf so einen Handel einzulassen. Wenn das Ganze schiefgeht, kostet es ihn den Kopf und dann hat er nichts mehr von seinem vielen Geld.«
Sandro schlug mit der Faust auf den Tisch. »Aber wir müssen etwas unternehmen!«, rief er aus.
Jacopo blieb ruhig. »Auch wenn wir Tessa nicht helfen können, so gibt es doch eine Möglichkeit, euer Kind herauszuholen und es davor zu bewahren, dass dieser Vasetti es irgendwo auf einem Sklavenmarkt verschwinden lassen kann.«
»Und wie soll das geschehen, wenn doch Kerkermeister und Wärter angeblich gegen Bestechung gefeit sind?«, wollte Sandro wissen, im Wechselbad von bitterem Schmerz, Tessa nicht befreien zu können, und süßer Hoffnung, zumindest ihr Kind zu retten.
»Carmela hat mir von der Hebamme berichtet, die im Dienst des Gefängnisses steht und die stets gerufen wird, wenn bei einer Gefangenen die Zeit der Niederkunft gekommen ist«, erklärte Jacopo. »Ihr Name ist Piera Tossa. Sie ist ein schon recht altes und kauziges Weib, das wahrlich nicht den besten Ruf als Hebamme hat und das ich, wenn ich eine Frau hätte, bei der Geburt meines Kindes nicht einmal in die Nähe lassen würde. Außerdem säuft sie und hat nie genug Geld. Deshalb haust sie auch in einem beinahe genauso schäbigen Loch wie Tessa. Aber in diesem Fall kommt uns das zugute, denn für zwanzig Florin ist sie bereit, das Neugeborene aus dem Kerker zu schmuggeln.«
»Aber das Kind wird womöglich schreien. Wie zum Teufel soll sie es unbemerkt aus dem Kerker schmuggeln?«, wandte Sandro ein. »Außerdem wird sofort herauskommen, dass das Kind verschwunden ist. Und wenn die Hebamme nicht sofort damit herausrückt, wo das Kind geblieben ist, wird man sie auf die Folterbank binden und es aus ihr herauspressen. Dann rollt nicht nur ihr Kopf, sondern auch der von uns allen!«
Die Hasenscharte über der Oberlippe zog sich weit auseinander, als sich ein breites Grinsen auf Jacopos Gesicht legte. »Du hast recht. Nur ein hirnloser Trottel würde sich auf so einen tödlichen Schwachsinn einlassen!«, pflichtete er Sandro vergnügt bei. »Aber zu dieser Sorte Trottel gehöre ich nicht, wie du eigentlich nur zu gut wissen solltest. Niemand wird uns auf die Spur kommen, denn das Kind wird erst gar nicht aus dem Gefängnis verschwinden – jedenfalls werden alle das glauben.«
14
I n den Wochen bis zu Tessas Niederkunft führte Sandro das Leben eines Gefangenen und wie ein Gefangener fühlte er sich auch. Das Warten auf den Tag, an dem sie ihren Plan ausführen würden, und die quälende Ungewissheit, ob er auch gelingen würde, zerrten an seinen Nerven.
Nur bei Nacht, wenn die Schenke schon längst geschlossen hatte, verließ er heimlich das Haus und streifte in seiner Verkleidung als Bettelmönch stundenlang ziellos durch die Gassen. Stets war er darauf bedacht, dass niemand ihn sah, wenn er aus dem Haus ging oder wenn er zurückkehrte. Weder bei den Bediensteten noch bei den Zechkumpanen aus dem Viertel durfte auch nur der leiseste Verdacht aufkommen, Jacopo würde einen Fremden versteckt halten, denn dann war nicht nur ihr Plan, sondern das Leben aller in Gefahr, die daran beteiligt waren.
Hinzu kam, dass die politische Lage inzwischen überaus brisant geworden war. Florenz lag wieder einmal im Krieg mit Mailand. Es war ein Krieg, den sich die bankrotte Stadt absolut nicht leisten konnte. Gerade erst hatte eine viel zu schwache Florentiner Söldnertruppe bei Imola eine vernichtende Niederlage erlitten. Die Steuerlast, die dem Volk abgepresst wurde, damit dieser unselige Feldzug weitergeführt werden konnte, war erdrückend und schon riefen viele unverhohlen nach Cosimo de’ Medici. Er solle zurückkehren und die Stadt aus ihrer misslichen Lage befreien. Nur ihm traute die Bevölkerung noch zu, dank seines diplomatischen Geschicks und seinen mit Gold gefüllten Truhen einen Frieden mit Mailand zu erzwingen.
All das erfuhr Sandro von Jacopo und so hörte er auch von dem Gerücht, dass Rinaldo degli Albizzi im Gegenzug bei einem geheimen Treffen mit
Weitere Kostenlose Bücher