Hüter der Macht
bereit!«, kam es zurück. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür. Sandro hatte Hose und Hemd, die er während seiner freiwilligen Gefangenschaft in Jacopos Räumen getragen hatte, gegen die schwarze Kutte eines Benediktinermönches eingetauscht. Er knotete sich den doppelten weißen Strick um die Hüften, befestigte einen Rosenkranz mit einem vergoldeten Kruzifix daran und setzte sich eine falsche Brille auf, deren runde Gläser von Eisenringen gehalten und auf der Nasenwurzel durch ein Lederband verbunden waren. Zuletzt schob er sich noch zwei flache Kieselsteine rechts und links in den Mund.
Jacopo bedachte Sandro mit einem breiten Grinsen. »Verdammt, ich bin fast versucht, vor Euch auf die Knie zu fallen und Euch zu bitten, mir die Beichte abzunehmen, Hochwürden!«, spottete er. »Du siehst wirklich wie ein gelehrter Pater aus. Und der dichte Bart bildet einen prächtigen Kontrast zu deiner aufgefrischten Tonsur.«
Sandro verzog das Gesicht. »Du hast mir den Schädel ganz schön malträtiert! Und dabei dachte ich, du wüsstest mit einem scharfen Messer umzugehen.« Seine Stimme klang genauso undeutlich wie damals, als er zusammen mit Averardo diesem Scalessi eine blutige Lehre erteilt hatte.
Jacopo winkte ab. »Aber nicht, wenn ich darauf achten muss, niemanden zu verletzen. Dafür ist ein scharfes Messer schließlich nicht da, oder? Und nun los, Pater Ambrosius!«
Sie packten die Holzkiste an den beiden ledernen Trageschlaufen und schlichen die Treppe hinunter und durch die Hintertür aus dem Haus. In der Gasse wuchtete Jacopo sich die Kiste auf die Schulter und humpelte voran. Sandro hielt zwei Schritte Abstand und griff zum Rosenkranz. Er gab sich jedoch nicht nur den Anschein eines frommen Mönches, der jede Gelegenheit zum Beten nutzte, sondern er betete tatsächlich, während ihm die glatten Perlen durch die Finger glitten, und zwar mit einer Inbrunst, wie er es noch nie zuvor getan hatte.
Hinter der Piazza della Signoria, nur wenige Straßenzüge vom Gefängnis entfernt, trafen sie in einer stillen Seitengasse auf die Hebamme. Sandro bekam sie heute zum ersten Mal zu Gesicht.
Piera Tossa war klein und rundlich wie ein Fass. Strohiges, zerzaustes Haar hing ihr bis auf die krummen Schultern herab und ihr aufgedunsenes Gesicht wies deutliche Spuren eines trinkfreudigen Lebens auf. Ein dünner schwarzer Bart bedeckte ihre Oberlippe und auch aus der Nase wucherten Haare.
»Wo ist das Geld?«, fragte sie barsch.
Jacopo holte einen Beutel hervor. »Den Rest bekommst du, wie wir abgemacht haben, wenn wir mit dem Kind aus dem Gefängnis heraus sind.«
»Versucht bloß nicht, mich zu bescheißen!«, zischte die Alte warnend und grapschte nach dem Beutel. Sie wog ihn in der Hand und befingerte die Münzen durch den Stoff hindurch, ob es sich dabei auch wirklich um Goldflorin handelte.
»Hexe!«, murmelte Sandro.
Die Hebamme warf ihm einen grimmigen Blick zu und ließ den Geldbeutel in den Falten ihres geflickten Kleides verschwinden. »Hast du alles, was ich brauche?«
Jacopo nickte. »Ich habe besorgt, was du mir aufgetragen hast.« Er klopfte an die Kiste.
Piera Tossa gab ein Grunzen von sich. »Hört zu, das Quatschen mit den Wärtern überlasst ihr gefälligst mir, verstanden? Ich kenne die Burschen und die kennen mich. Wenn ihr das Maul haltet und mir nicht dazwischenpfuscht, wird nichts schiefgehen. Auf Piera Tossa ist Verlass! Ist das klar?«
Jacopo grinste. »Klar wie der helle Sonnenschein.«
Sandro begnügte sich mit einem Nicken.
Mit pochendem Herzen und einem elend flauen Gefühl im Magen folgte Sandro seinem Freund und der Hebamme. Als das Gefängnis wie ein schwarzer Riese vor ihnen in den nächtlichen Himmel wuchs, spürte er, wie sich ein eiserner Ring um seine Brust legte und ihm das Atmen schwer machte. Gleich würde sich entscheiden, ob seine Tarnung hielt und die Wachen und Wärter ihn wirklich für einen Pater hielten!
Als sie den Tordurchgang zum Innenhof des Gefängnisses erreichten, traten ihnen sogleich zwei Soldaten entgegen. Der eine verlangte nach einem Passierschein.
»Tod und Teufel! Du Dummkopf bist wohl neu hier, wenn du nicht weißt, wer ich bin und dass ich keinen verfluchten Passierschein brauche!«, herrschte Piera Tossa ihn an. Dann richtete sie das Wort an die andere Wache. »Maffeo, sag deinem Kameraden, dass er mich nicht länger mit diesem Blödsinn aufhalten soll. Ich darf jederzeit rein mit meinem Gehilfen und dem Pfaffen. Dass das Weibsstück
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