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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Straßen und Ihr sagt, das hätte nichts zu bedeuten?« Der Fremde schüttelte empört den Kopf.
    »Es stehen mal wieder Wahlen an und das geht bei uns oft mit Aufruhr und drohendem Waffengeklirr einher. Heute sind es die Parteigänger der Albizzi, die für ein wenig umoro sorgen. Das ist nichts Besonderes vor der Wahl der neuen Prioren und des nächsten Gonfaloniere. Niemand kümmert sich darum. Das geschieht mehrmals im Jahr.« Geschäftstüchtig hielt der Händler dem Fremden eines seiner Plätzchen hin. »Aber sagt, wollt Ihr nicht etwas von meinem Zuckergebäck kaufen? Nirgendwo in der Stadt werdet Ihr besseres finden, das schwöre ich Euch bei den wundertätigen Gebeinen aller heiligen Märtyrer!«
    Der Fremde starrte ihn an, schüttelte verständnislos den Kopf und verschwand in der Menge.
    Tessa sah von einem zum anderen. Sie hatte wenig von dem verstanden, was die Männer sprachen. Prioren? Gonfaloniere? Ihre Neugier war geweckt, aber sie rief sich zur Ordnung. Das hatte sie nicht zu kümmern. Ihre Sorge sollte allein ihrer Herrin gelten und dass sie rechtzeitig zurück war, wenn Fiametta erwachte. Sonst würde sie wieder endlose Beschimpfungen über sich ergehen lassen müssen!
    Hastig machte sie sich wieder auf den Weg nach Santa Croce und so erreichte sie wenig später den Mercato Vecchio, auf dem zu dieser frühen Morgenstunde ein geradezu beängstigend lärmendes Treiben herrschte. Es war ein rechteckiger Platz, in dessen Zentrum sich die Loggia dei Tavernai erhob. Hier hatten einige Dutzend Gastwirte in den Bogengängen ihre Garküchen und festen Schankräume, in denen sie allerlei Speisen und Getränke zum Kauf anboten. Fleischer und andere Händler boten ihre Waren an Ständen feil. Auch einige Handwerker hatten in der Loggia ihre kleinen Werkstätten, bottega genannt. Ein Vielzahl von Buden und ärmlichen Tischen, die die Bauern schnell aufgebaut hatten, umgab die Loggia mit einem dichten Ring.
    Das Gedränge auf dem Mercato Vecchio war so groß, dass es kaum ein Durchkommen gab. Man hätte glauben können, die Florentiner fürchteten eine Belagerung der Stadt und wurden von der Sorge umgetrieben, sich auf den Märkten nicht mit ausreichend Lebensmitteln eindecken zu können.
    Tessa rettete sich vor dem wüsten Gedränge und Geschiebe in eine der Seitengassen und hoffte, nun nicht in die Irre zu laufen. Wenn sie doch nur in Venedig wäre! Dort hätte sie genau gewusst, wie sie am schnellsten durch die Stadt gekommen wäre.
    Jenseits der offenen Plätze schlängelten sich die Straßen und Gassen ohne vernünftigen Plan durch die Stadt. Überall drängten sich die Häuser dicht zusammen. Da stand manchmal ein winziges einstöckiges Haus eingekeilt zwischen zwei massigen, gut fünfundzwanzig Meter hohen Wohntürmen. Schmucklose Häuser und Werkstätten der einfachen Bevölkerung fand man überall, genauso wie die Palazzi eines reichen Kaufmannes oder Bankherrn. Errichtet aus massigen Steinquadern mit rauem Bossenwerk wie ein Festungsbau, waren diese prächtigen Wohnsitze zumeist zur Straße hin mit dem stolzen, aus dem Stein gehauenen Familienwappen sowie einer Reihe von schmiedeeisernen Fackelkörben versehen. Manche wiesen auch kleine halbrunde Nischen auf, in denen eine Madonnen- oder Heiligenfigur mit einem brennenden Kerzenlicht stand.
    Tessas Schritt wurde schneller und schneller. Wo war sie bloß gelandet? Ihr Blick irrte umher. Die Gassen um sie herum wurden noch enger. Sie passierte schmale Hauseingänge und lukenartige Fensteröffnungen, die mit bunten, vielfach ausgeblichenen und verdreckten Bändern geschmückt waren. In ihrer Nähe lungerten herausgeputzte und grell geschminkte Frauen jeden Alters herum, die sie argwöhnisch musterten, und Tessa begriff, dass es sich bei ihnen um Huren handelte.
    Nun rannte sie fast und dann endlich konnte sie aufatmen. Ein Stück vor ihr weitete sich die Gasse und sie erkannte zu ihrer Linken die Kirche Or San Michele, die gleichzeitig als Getreidespeicher diente. Vor wenigen Tagen war sie mit Chiara daran vorbeigekommen. Jetzt wusste sie wieder, wo sie sich befand! Sie musste nur den Platz vor der Kirche überqueren, dann war es nicht mehr weit bis zur Via Ghibellina. Erleichtert ging sie weiter.
    Gerade wollte sie einer breiteren Straße folgen, die nach Südosten zum Stadttor Porta alla Croce führte, als sie in der Menschenmenge vor sich eine Gestalt bemerkte, die ihr sofort vertraut vorkam.
    Es war ein schlanker junger Mann mit dunkelbraunem

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