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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Achseln. »Wir tun, was wir können, um den Krieg gegen Lucca zu verhindern. Aber die Sache ist so gut wie entschieden. Du weißt: Nur ein Narr sucht im Winter nach frischen Feigen. Jetzt müssen wir sehen, dass das Haus Medici keinen Schaden nimmt«, sagte er nüchtern. »Kommt es zum Krieg, und damit ist zu rechnen, können wir weit mehr zum Wohle der Republik tun, wenn wir ein gewichtiges Wort im Kriegskomitee mitreden können. Oder wie Livius sagen würde: Man muss handeln …«
    »… um ärgere Dinge zu verhindern« , beendete Poggio den Satz. »Fürwahr, das dürfte das Einzige sein, was jetzt noch zu tun bleibt. Hoffen wir, dass der Waffengang gegen Lucca einen schnellen und für uns guten Ausgang nimmt.« Er seufzte und sagte dann mit Blick auf Rinaldo degli Albizzi, der ihnen soeben mit falscher Freundlichkeit zunickte: »Wie recht Menander doch hatte, als er schrieb, dass der Mensch an sich schon ein hinreichender Grund zur Traurigkeit sei.«
    »Jeder Mensch kann irren, doch nur der Dummkopf beharrt auf seinem Irrtum«, murmelte Cosimo, während er Rinaldos Gruß mit derselben falschen Freundlichkeit erwiderte.

6
    D er weiträumige Platz um San Giovanni und den Dom lag schon seit den frühen Nachmittagsstunden unter einem gewaltigen Baldachin aus kostbaren Tüchern. Den ganzen Tag über waren die Händler und Kaufleute damit beschäftigt gewesen, ihre Läden und Stände sowie Schenken und Garküchen zu schmücken und alles dafür vorzubereiten, um ihre besten Waren möglichst verlockend präsentieren zu können. Sie hatten eine Extrasteuer entrichtet, um trotz des kirchlichen Festtages ihren Geschäften nachgehen zu dürfen. Und diese Sondersteuer zahlten sie gern, würden sie doch an keinem anderen Tag des Jahres bessere Geschäfte machen. Wahre Menschenströme würden durch die Tore in die Stadt fluten, angeführt von den Abgesandten der Dörfer und Städte unter Florentiner Herrschaft. Sie überbrachten der Regierung auf der Piazza della Signoria ihren jährlichen Tribut.
    Welch ein besonderer Tag der 24. Juni war, ließ sich auch daran ermessen, dass sogar all diejenigen, die sich wegen ihrer Schulden schon längst nicht mehr in die Stadt trauten, willkommen waren und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Schutz genossen vor den Nachstellungen ihrer Gläubiger und den Bütteln. Sie mussten sich am Stadttor nur einen Passierschein kaufen, der jedoch billig zu haben war, und brauchten mit diesem in ihrem Beutel für die Dauer des Tages nicht zu befürchten, gefasst und in den Schuldkerker geworfen zu werden.
    Am Morgen des Patronatsfestes besuchte das Haus Panella geschlossen die feierliche Morgenmesse, wobei sich Tessa mit Gemma weit hinten in der Kirche noch einen Platz in der Menge erkämpfte. Zahllose andere, die sich nicht so früh auf den Weg gemacht hatten, fanden schon lange vor Beginn der Messe keinen Einlass mehr. Anschließend gab es eine prächtige Prozession durch die geschmückten Straßen der Stadt. Die Menschen standen dicht an dicht am Straßenrand. An vielen Stellen hatte man lange Holzbänke aufgestellt, auf denen die festlich gekleideten jungen Frauen aus begütertem Haus saßen.
    »So bequem wird es unsere Herrschaft am Nachmittag beim Palio auch haben«, raunte Gemma ihr zu. »Sie haben sich nämlich eine Bank auf der Seitentribüne direkt auf dem Zielplatz gesichert. Möchte nicht wissen, was die gekostet hat!«
    Nach dem üppigen Festmahl zur Mittagsstunde, zu dem die Panella ein halbes Dutzend Gäste in ihr Haus geladen hatten, ging Tessa ihrer jungen Herrin noch beim Wechseln ihrer Kleider zur Hand. Und dann beeilte sie sich, mit den vier Piccioli, die die Herrschaften an diesem besonderen Tag sogar an ihre Sklaven auszahlten, hinaus auf die Straßen zu kommen und sich in den Trubel zu stürzen.
    Natürlich waren vier Piccioli nicht viel, aber sie gehörten ihr, ihr allein. Stolz hatte sie die Münzen in ihren Stoffbeutel gesteckt. Sie hatte das moosgrüne Kleid angezogen, das sie damals getragen hatte, als sie in Florenz angekommen war. Ihr Haar war frisch gewaschen und mit alten, abgelegten Spangen ihrer Herrin geschmückt.
    Und nun war sie unterwegs.
    Anfangs wusste Tessa nicht, wohin sie ihre Schritte lenken und wo sie auf ihrem Weg durch die Stadt länger verweilen sollte. Immer wieder blieb sie stehen, um die überquellenden Auslagen der Stände und Verkaufsbuden zu bewundern. Musikanten, Gaukler, Astrologen, Puppenspieler, Jongleure, Seilartisten, Eisenbieger und kleine

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