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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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indem er alles daran setzte, in den Besitz von Reliquien der beiden Namenspatrone zu gelangen. Und in dieser prächtigen Truhe würden sie ihre endgültige Ruhestätte finden. So würde wenigstens ein kleiner Teil seines Zwillingsbruders stets in seiner Nähe sein.
    Cosimo und Lorenzo Ghiberti verließen die Halle und traten in einen kleinen Nebenraum. Auch hier war die Luft stickig und aufgeheizt, aber der Lärm drang nur noch gedämpft zu ihnen.
    »Wer hat Euch verraten, dass ich die Truhe heute vollenden würde?«, fragte Lorenzo Ghiberti. Er wischte sich die Hände an seiner dicken Lederschürze ab, die übersät war von Brandflecken, und nahm einen mit Goldflorin gut gefüllten Beutel entgegen. »Von meinen Leuten kann es niemand gewesen sein, die wissen den Mund zu halten. Habt Ihr es von Eurem Astrologen erfahren?« Vielen war bekannt, dass Cosimo de’ Medici wie einige andere angesehene Florentiner eine Schwäche für Astrologie und Magie hatte.
    »Nein, es war eine Eingebung, für die ich einmal nicht zu bezahlen brauchte«, sagte Cosimo ironisch.
    »Ihr seid ein so leidenschaftlicher Förderer der schönen Künste, Ihr interessiert Euch für Astrologie und Magie. Manchmal frage ich mich, ob ein Bankhaus wirklich der richtige Platz für Euch ist.«
    »Auch wenn man Geld machen könnte, indem man einen Zauberstab hin und her schwenkt, wäre ich trotzdem Bankier geworden«, erwiderte Cosimo belustigt. »Zudem haben die Zauberei und das Bankgeschäft mehr gemeinsam, als Ihr glaubt.«
    »Wie das?«
    »Woraus besteht denn das Bankgewerbe, wenn nicht aus einer raffinierten Mischung aus Manipulation, Risiko und Macht?«, fragte Cosimo zurück. »Doch im Gegensatz zu den trügerischen Kunststücken der Gaukler sind Bankgeschäfte eine Zauberei mit Geld, die wirklich funktioniert.«
    Lorenzo Ghiberti lachte. »Da habt Ihr natürlich recht. Euch Medici könnte man in der Tat auch Magier des Geldes nennen. Denn Ihr wisst, wie man es dazu bringt, sich miteinander zu paaren und sich prächtig zu vermehren.«
    Cosimo wollte etwas darauf erwidern, doch in diesem Augenblick betrat ein stattlicher, um die Leibesmitte rundlicher Mann mit einer hohen Stirn den Raum. Aus seinem gewellten grau melierten Haar ragte eine kräftige Haarlocke wie ein Hahnenkamm in die Höhe.
    »Poggio!«, rief Cosimo erfreut.
    Sein Freund war lange unterwegs gewesen. Seine Jagd nach den selten Manuskripten, die er für Cosimo ausfindig machte, trieb ihn an die absonderlichsten Plätze der Welt, und es war lange her, dass Cosimo ihn persönlich zu Gesicht bekommen hatte.
    »Hier also steckst du, in Meister Lorenzos glutheißem Höllenloch auf Erden, das er prosaisch Werkstatt zu nennen wagt!« Poggio Bracciolini fächelte sich mit einem zusammengeschnürten Bündel Pergamente Luft zu. »Ich wusste gar nicht, dass du so versessen darauf bist, auf Dantes Spuren zu wandeln. Willst du einen ersten Vorgeschmack auf die Hölle bekommen?«
    Cosimo lachte. »Für den Toren ist schon auf Erden die Hölle bereitet« , antwortete er scherzhaft mit einem Zitat aus der Antike.
    »Dein Lukrez in allen Ehren, aber lass dir mit Pythagoras darauf antworten: Sieh, wie die Menschen sich durch eigene Wahl die Leiden zuziehen« , konterte Poggio Bracciolini.
    »Jeder Kessel hat sein Maß, wie Varro sagt.« Er musste sich ein Lächeln verkneifen, so sehr hatte er einen solchen Schlagabtausch mit antiken Zitaten vermisst. Nur sein alter Freud Poggio war ihm darin gewachsen. »Tröste dich mit Vergib Künftig vielleicht ist’s Freude, der jetzigen Leiden zu gedenken. «
    »Dein Maß mag es ja sein, meines ist es aber nicht! Ich halte es lieber mit Ovid: Du hast den Schaden, und doch dankt man dir den Schaden nicht! Und ich leide in dieser brütenden Junihitze auch ohne diese Höllenglut schon mehr als genug«, beklagte sich Poggio und setzte eine Leidensmiene auf. »Wenn du also wissen willst, was ich hier in Händen halte und in vielen Stunden mühsam für dich aus dem Griechischen übersetzt habe, musst du schon mit mir nach draußen gehen. Und eines lass dir gesagt sein: Bequem ist der Weg von der Erde zu den Sternen wahrlich nicht. Auch nicht der zu den geistigen Sternen der Antike.«
    »Seneca?«
    Poggio nickte. »Ich warte draußen auf dich, falls du noch etwas mit Meister Lorenzo zu bereden hast.«
    »Geht nur!«, sagte der zu Cosimo. »Ich lasse Euch die Truhe nach Hause bringen.«
    Draußen vor der Werkstatt, im Schatten einer Hauswand, überreichte Poggio dem

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