Hüter der Macht
Prinzip des Wechselgeschäftes schnell begriffen. Du scheinst hier am richtigen Platz zu sein. Aber jetzt habe ich noch eine letzte Frage.«
Sandro wappnete sich.
»Wie wird dieser Gewinn in unseren Abrechnungen verbucht? Als Zinsgewinn?«
»Um Gottes willen, nein!«, wehrte Sandro fast erschrocken ab. Er bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Matteo, der seitlich hinter Falco Portinari stand und eben noch besorgt dreingeschaut hatte, nun vor Erleichterung grinste.
»Und warum nicht?«
»Weil Zinsen des Teufels und wider die Natur sind, wie es schon in der Bibel geschrieben steht«, erklärte Sandro eifrig. »Zinsen werden von gottlosen Geschäftsleuten berechnet, Signore Portinari. Bei unseren Geschäften handelt es sich einzig und allein um Währungsgewinne. Sie sind der ehrliche Lohn für das Risiko, das eine Bank mit derlei Wechseln eingeht.«
Falco Portinaris Miene entspannte sich und er bedachte Sandro mit einem wohlwollenden Lächeln. »Genauso verhält es sich, denn nicht jeder Wechsel hält, was er verspricht! Und diese Gewinne sind bei all den Risiken, die eine Bank auf sich nimmt, auch bitter nötig«, bekräftigte er. Zufrieden verließ er den Raum.
»Das hast du fehlerfrei hingekriegt, Sandro! Da gab es nichts, was er hätte beanstanden können«, sagte Matteo anerkennend, als sie wieder allein in der Schreibstube waren. »Du kannst stolz auf dich sein! Mir hat Portinari nicht so schnell gesagt, dass ich hier am richtigen Platz bin. Ich musste mich, als ich hier anfing, viel länger anstrengen, bis er mich vom Haken ließ.«
Sandro winkte ab. »Das verdanke ich nur dir. Wenn du mir das alles nicht noch gestern in deiner Kammer so geduldig eingebläut hättest, hätte ich dumm dagestanden.«
Matteo lächelte verlegen. »Ach was, das war doch selbstverständlich.«
»Trotzdem.« Sandro schlug Matteo freundschaftlich auf die Schulter. »Weißt du was, bald kommen die Fässer mit dem neuen Trebbiano in die Stadt. Das werden wir zusammen in einer Schenke feiern! Dann kannst du auch gleich meinen Freund Tommaso aus der Wollbottega kennenlernen. Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen. Er ist schwer in Ordnung – so wie du, Matteo!«
15
A m darauffolgenden Sonntag konnte Sandro es gar nicht abwarten, sich auf den Weg zur Kirche Santa Maria Novella zu machen. Die letzten Tage hatten so viel Aufregung und Neues in sein Leben gebracht, dass er kaum Zeit gefunden hatte, an Tessa zu denken. Beschämt musste er sich eingestehen, dass er sogar einige Male die Messe in Santa Maria Novella verpasst hatte, die ihm eigentlich schon zur lieben Gewohnheit geworden war. Aber Tessa würde ihm dieses Versäumnis nachsehen, wenn sie erst von der entscheidenden Wendung in seinem Leben erfuhr, da war er sich sicher.
Er eilte durch die Straßen und Gassen, um nur ja nicht zu spät zu kommen. Schon sah er ihre leuchtenden Augen vor sich und hoffte inständig, dass ihnen die Gelegenheit vergönnt sein würde, einige Worte zu wechseln. Es war auch schon vorgekommen, dass Tessas Herrschaften es über alle Maßen eilig zu haben schienen, sodass sie nur einige Blicke hatten wechseln können. Einmal waren sie gar nicht zur Messe erschienen.
Aber heute, das hatte Sandro sich geschworen, würde er nicht eher ruhen, bis sie sich wenigstens einen guten Tag gewünscht hatten. Selbst wenn er ihr bis zu dem Palazzo der Panella folgen musste – Sandro wollte endlich sein Glück mit jemandem teilen und er konnte sich keine Bessere vorstellen als die schöne Tscherkessin. Warum das so war, das begriff er selbst nicht so recht. Schließlich konnte er nicht davon sprechen, dass er das Mädchen kannte – nicht auf die Art, wie er freundschaftlich mit Tommaso verbunden war. Aber da war etwas Besonderes an ihren Begegnungen, so kurz sie auch sein mochten. Denn Tessa hatte eine ganz eigene Art, ihm zuzuhören, und wenn es in ihren dunklen Augen wach und klug blitzte, dann vergaß Sandro, dass sie eine Sklavin war, und er vergaß auch, dass ihnen immer nur eine kurze Zeitspanne beschieden war. Und manches Mal kam es ihm so vor, als ob es ihr auch so gehen würde.
Die Glocken waren bereits verstummt, als Sandro in das Gotteshaus eilte. Und tatsächlich – dort ganz vorn in ihrem Gestühl entdeckte er die Männer des Hauses Panella, während die Frauen weiter hinten saßen. Er erkannte den griesgrämigen Ausdruck von Donna Simona sofort. Doch als seine Blicke weiter zu den Plätzen der Bediensteten schweiften, erschrak er. Denn er
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