Hüter der Macht
hinterher recht unleidlich sein und von ihr wissen wollen, wieso sie so lange weggeblieben war, wo sich die Apotheke doch gleich um die nächste Ecke befand. Aber das nahm sie gern in Kauf, denn Sandro sollte endlich erfahren, warum sie sonntags nicht mehr die Messe in Santa Maria Novella besuchte.
Zu ihrer Erleichterung dauerte es nicht lange und sie stand vor der Tuchmanufaktur der Medici. Dort stieß sie auf einen Mann, der vor dem Gebäude die Anlieferung einer Ladung englischer Wolle überwachte und die Anzahl der dicken Säcke auf dem Fuhrwerk mit den Angaben auf den Frachtpapieren verglich.
Tessa sprach ihn an und fragte, ob es möglich sei, kurz mit Sandro Fontana zu sprechen.
Der Mann musterte sie mit einem belustigten Blick. »Ich bin sicher, dass das möglich ist, aber dafür bist du hier am falschen Ort.«
Verwirrt sah Tessa ihn an. »Ist das hier denn nicht die Wollbottega der Familie Medici in Santa Croce?«
»Doch, das ist sie.«
»Und wieso bin ich dann trotzdem am falschen Ort?«, fragte sie verständnislos. »Sandro Fontana ist hier Lehrling, soweit ich weiß.«
»Nein, das ist er nicht mehr, meine Hübsche. Der Glückspilz hat nämlich einen sprunghaften Aufstieg gemacht. Der braucht sich die Hände nicht mehr schmutzig zu machen«, sagte der Mann spöttisch und mit einem Anflug von Neid. »Ser Cosimo hat ihn kurz nach dem falschen Pestalarm als Lehrling in seine Tavola am Mercato Nuovo geholt. Da lernt er nun am feinen grünen Tuch das vornehme Bankgeschäft.«
»Oh, das wusste ich nicht!«, sagte Tessa überrascht, bedankte sich für die Auskunft und beeilte sich, so rasch wie möglich zum Mercato Nuovo zu kommen. Dass Sandro bei der Medici-Bank eine Lehre begonnen hatte, freute sie über alle Maßen. Das war sicherlich nur wenigen vergönnt und wahrscheinlich noch viel seltener einem jungen Mann, der bislang in einer Wollbottega gearbeitet und sich darüber schon glücklich geschätzt hatte.
Bald hatte sie den Mercato Nuovo erreicht. Trotz der Kälte fühlte sie, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Unschlüssig blieb sie stehen und beobachtete das Treiben an den grün bespannten Tischen in den Säulengängen. Vorsichtig näherte sie sich der Loggia der Medici-Bank und hielt Ausschau nach Sandro, doch sie sah an den beiden Tischen nur fremde Männer mittleren Alters, die leise mit ihren Kunden verhandelten.
Wie dumm von ihr zu denken, Sandro würde schon nach so kurzer Zeit hier Geldgeschäfte abwickeln! Natürlich saß er als Lehrling erst einmal im Innern des Hauses in irgendeinem Kontor!
Tessa ging eine Weile auf und ab und spähte immer wieder zu den Tischen hinüber. Schließlich gab sie es auf. Ohnehin war schon viel zu viel Zeit verstrichen und sie durfte ihre Rückkehr in den Palazzo der Vasetti nicht noch länger aufschieben!
Betrübt kehrte sie in die Via San Gallo zurück, wo Fiametta sie, wie befürchtet, zornig zur Rede stellte, wo sie denn so lange geblieben sei.
Tessa flüchtete sich in die Ausrede, zufällig einer Bediensteten aus dem Haus der Panella begegnet zu sein und über dem Gespräch mit ihr völlig die Zeit vergessen zu haben. Fiametta grollte noch den ganzen Tag mit ihr.
Doch schon am nächsten Tag hatte Fiametta vergessen, dass sie ihrer Zofe böse war. Denn sie wurde zum ersten Mal von einer heftigen Übelkeit überwältigt und musste sich erbrechen. Die Übelkeit hielt auch in den folgenden Tagen an und schließlich gab es keinen Zweifel mehr: Fiametta war in anderen Umständen!
»Ich erwarte ein Kind! Endlich, Tessa! Endlich! Es ist geschehen! Nun wird er mich in Ruhe lassen! Und ganz bestimmt werde ich einen Sohn zur Welt bringen! Einen Stammhalter!«
Fiametta war wie ausgewechselt. Ihre jammervolle, mutlose Stimmung und ihre ängstliche Zurückgezogenheit fielen von ihr ab wie ein jäh heruntergerissener Schleier. Auf einmal bewegte sie sich stolz, ja selbstgefällig durch das Haus und trieb die Dienerschaft an. Und auch Lionetto Vasetti änderte sein rüdes Verhalten. Fiametta trug sein Kind unter ihrem Herzen und endlich erwies er ihr den Respekt und die Besorgnis um ihr Wohlergehen, die er so schmerzlich lange hatte vermissen lassen.
17
D as wurde aber auch allerhöchste Zeit, dass wir mal wieder einen ordentlichen Zug durch die Schenken machen, Sandro!«, sagte Tommaso und gab ihm einen heftigen Schlag auf die Schulter. Sie überquerten gerade den Arno über den Ponte alla Carraia. Leise rauschte der Fluss unter ihnen dem Wehr am
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