Hüter der Macht
indem sie sich unaufgefordert erbot, ihnen bei der vielen Arbeit zur Hand zu gehen. Als Zofe der Herrin hätte sie das nicht nötig gehabt, aber auf ihrer Stellung zu beharren wäre unklug gewesen. Denn wie gut oder wie schlecht es ihr in diesem Haushalt ergehen würde, hing auch davon ab, ob die restliche Dienerschaft sie freundlich aufnahm. Und sie hatte Glück. Carmela, die flinke Köchin, eine stämmige Frau, nahm Tessa von Beginn an unter ihre Fittiche und half ihr, sich in dem großen Palast zurechtzufinden, und so wurde die Trauer darüber, dass sie Gemma hatte verlassen müssen, ein wenig gemindert.
Es war schon späte Nacht, als die letzten Gäste endlich gingen und Fiametta sich in ihr mit edlen Teppichen, Wandbehängen und Möbeln ausgestattetes Schlafgemach zurückzog, wo Tessa schon auf sie wartete.
Im Kamin brannte ein wärmendes Feuer, auf dem schneeweißen Damastlaken des Baldachinbettes lag schon das zarte und reich bestickte Nachtgewand für die Hochzeitsnacht ausgebreitet, das Fiametta in ihrem cassonolo, ihrer kostbaren Brauttruhe, die ihre Aussteuer enthielt, mit in ihr neues Heim gebracht hatte. Auf dem Waschtisch standen die Dosen, Tiegel und Fläschchen mit Fiamettas Duftstoffen und ihren geliebten Cremes bereit.
Der beklommene Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Herrin verriet Tessa sofort, welch angsterfüllte Ungewissheit Fiametta in dieser Stunde gepackt hatte.
»Ihr habt ein wahrhaft wundervolles Hochzeitsfest gehabt, von dem man noch lange schwärmen wird«, versuchte Tessa sie aufzumuntern, während sie ihr beim Entkleiden zur Hand ging. »Und Lionetto wird Euch bestimmt ein guter Ehemann sein.«
»Ach, Tessa, was nützt mir all das jetzt? Ich wünschte … es wäre schon vorbei!«, stieß Fiametta gequält hervor und griff nach Tessas Arm, als wollte sie sie festhalten und nicht aus ihrem Gemach lassen. Ihre Hand fühlte sich eiskalt an. »Ich habe solche Angst vor dem, was gleich sein wird …«
»Lionetto wird bestimmt sehr rücksichtsvoll sein.« Tessa versuchte, all ihre Überzeugung in ihre Stimme zu legen. Dabei wusste sie ja selbst nur sehr vage, was geschah, wenn sich ein Mann zu einer Frau legte und sich mit ihr vereinigte. »Ich bin sicher, Ihr werdet Eure erste Nacht mit Eurem Ehemann tapfer meistern.«
»Bete für mich!«, flehte Fiametta mit bebender Stimme, als Tessa schließlich das Schlafgemach verließ. Wie ein Häufchen Elend kauerte sie in ihrem kostbaren Nachthemd auf dem Bett, das Damasttuch schützend bis hoch vor die Brust gezogen.
»Das werde ich, Fiametta, und nun habt Mut und Gottvertrauen!« Tessa schenkte ihr noch ein aufmunterndes Lächeln, dann zog sie die Tür leise hinter sich zu.
Sie lag noch lange wach in ihrer Kammer, verrichtete, wie sie versprochen hatte, ihre Gebete und wünschte Fiametta, dass es ihr in den Armen ihres Mannes gut erging. Doch spürte sie gleichzeitig auch einen Stich im Herzen. Fiametta würde das Geschenk der Ehe bereitet werden. Aber für sie als Sklavin wäre so etwas undenkbar. Sie würde niemals Anrecht auf eine eigene Familie oder auf eigene Kinder haben. Unwillkürlich traten Tränen in ihre Augen und es dauerte lange, bis sie endlich Ruhe fand.
Dass nicht nur sie sich in der letzten Nacht in den Schlaf geweint hatte, erkannte Tessa sofort, als sie am nächsten Morgen das Zimmer ihrer Herrin betrat.
Fiamettas Gesicht war völlig verquollen und ihre Augen waren rot unterlaufen. Kaum hatte Tessa die Tür hinter sich geschlossen, fing Fiametta schon wieder an zu schluchzen und warf sich wie ein verschrecktes kleines Kind in die Arme ihrer Zofe.
»Oh Tessa, es war so … so entsetzlich und so entwürdigend, wie er … wie er über mich hergefallen ist!«, stieß sie hervor. »Wie ein Tier hat er mich … hat er mich genommen!«
»Scht, scht!« Tessa strich ihr besänftigend über den Kopf. »So entsetzlich wird es wohl kaum gewesen sein. Und mit der Zeit werdet Ihr Euch gewiss daran gewöhnen. Ihr wollt doch Kinder haben.«
»Es war schrecklicher, als ich es dir schildern kann! Blutig gerissen hat er mich! Ich wünschte, ich wäre tot!«, weinte Fiametta.
»Um Himmels willen, versündigt Euch nicht! So etwas dürft Ihr nicht sagen, geschweige denn, Euch ernsthaft wünschen!«, rief Tessa bestürzt.
»Es ist aber so! Wenn ich es noch einmal ertragen muss, werde ich sterben! Ja, ganz bestimmt werde ich sterben!«
14
V om ersten Tag an stürzte sich Sandro mit Begeisterung und Lerneifer in seine neue Arbeit als
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