Hüter der Macht
Banklehrling. Zwar lag ihm von seinem ganzen Wesen her eine Arbeit näher, bei der er sich körperlich betätigen und die Dinge mit seinen Händen greifen konnte, aber er wusste, dass sich ihm mit dieser Anstellung eine einmalige Aufstiegsmöglichkeit bot, und so bemühte er sich, die in ihn gesetzten Erwartungen möglichst noch zu übertreffen.
Die Medici hatten ihre Tavola, ihre Wechselbank, wie viele andere Bankiers der Florentiner Geldwechslergilde am Mercato Nuovo, auf halbem Weg zwischen dem Arno und dem noch unvollendeten Dom. Dort standen entweder im Freien, in Schatten spendenden Säulengängen, oder aber hinter den massiven Türen der Palazzi die mit grünem Tuch bezogenen Tische, an denen die Geldhändler saßen, traditionsgemäß in lange rote Gewänder gehüllt. Oft waren ihre Finger mit Tinte befleckt. Vor ihnen lag das große, in Leder gebundene Hauptbuch, in dem alle Geldgeschäfte akribisch und in römischen Ziffern festgehalten wurden. Griffbereit daneben fanden sich verschiedene Arten von Rechenbrettern und Rechenschiebern sowie Schreibutensilien, Papier, Pergament, Dosen mit feinem Streusand und lange Siegelbänder. Zu ihren Füßen ruhten auf kleinen, hockerartigen Gestellen schwere, eisenbeschlagene Kisten und Säcke mit Münzen.
Während auf dem Markt an den Ständen und Buden das übliche Lärmen und laute Feilschen herrschte, ging es an den grünen Tischen in den Säulengängen ruhig und mit bedächtigem Ernst zu. Dort wurden mit gedämpften Stimmen die Bedingungen für Kredite ausgehandelt, Wechsel eingelöst und ausgestellt, da klirrten leise schmale Silberlinge und fette Goldflorin und kratzten spitze Federn mit gemächlicher Sorgfalt über das Papier von Hauptbuch und Wechselbrief. War ein neuer Eintrag ins Rechnungsbuch gemacht, wurde er gemäß der Regel der Geldwechsler laut verlesen.
Für die alltäglichen kleineren Wechselgeschäfte hatte die Tavola der Medici zwei Tische im Säulengang ihres Palazzo stehen, während die größeren Abschlüsse in den Räumen hinter den massiven Türen getätigt wurden. Um diese kümmerte sich Falco Portinari, der langjährige Leiter der Wechselbank, zumeist persönlich.
Falco Portinari nahm Sandro von Beginn an unter seine Fittiche, wohl weil er feststellen wollte, ob der junge Mann den nötigen Sinn für Zahlen besaß und ob er für das Bankgeschäft taugte. Er war ein korpulenter Mann jenseits der fünfzig mit einem grauen Haarkranz um den kräftigen Kopf, der scheinbar ohne Hals auf breiten Schultern saß, und einem einschüchternd streng wirkenden Gesicht, in dem zwei wachsam blickende Augen saßen, die von einem scharfen Verstand zeugten.
Sandro hatte von der ersten Stunde an großen Respekt vor Falco Portinari und seiner kurz angebundenen Art, in der dieser seine Fragen stellte und ihn mit Rechenaufgaben prüfte. Er fürchtete schon, an einen zweiten griesgrämigen und ewig herummäkelnden Meister Vieri geraten zu sein.
Aber schon bald wich Falco Portinaris harsche, ruppige Art einem zufriedenen und schließlich sogar wohlwollenden Umgangston.
Der Umschwung kam nach wenigen Wochen. Sandro saß zusammen mit Matteo Trofaldo in der Schreibstube der Tavola und wollte sich gerade von ihm erklären lassen, nach welchem System die zahllosen Geschäftsbriefe aus aller Welt mit ihren wichtigen Avvisi und die Abschriften der ausgestellten Wechsel in der internen Registratur abgelegt wurden.
Matteo Trofaldo war nur vier Monate älter als Sandro, aber schon seit fast drei Jahren Banklehrling bei den Medici. Er war ein schmächtiger Bursche mit sandbraunem Haar und einem fast mädchenhaft zarten Gesicht und auch seine Schüchternheit Fremden gegenüber hatte viel von einem jungen, scheuen Mädchen. Der direkte Umgang mit den Bankkunden am grünen Tisch war seine Sache nicht, doch wenn es um komplizierte Rechenvorgänge und die mannigfaltigen Fallstricke des Wechselgeschäftes ging, verlor er seine Verlegenheit und legte überraschend eine kenntnisreiche Beredsamkeit an den Tag. Die Welt der Zahlen war zweifellos das Element, in dem er sich so wohlfühlte wie ein Fisch im Wasser.
Sandro hatte schnell erkannt, dass Matteo eine ehrliche Haut war und dass er ihm von großem Nutzen sein konnte, wenn er rasch Fortschritte machen wollte. Also hatte er sich von Anfang an um dessen Hilfe und Vertrauen bemüht. Und da sie beide zusammen mit den vier anderen Angestellten niederen Ranges im Haushalt von Falco Portinari über den Räumen der Bank lebten, so wie
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