Hüter des Todes (German Edition)
Warum um alles in der Welt, so fragte ich mich, warum sollten eingeborene amerikanische Indianer hier campieren, wenn es doch ganz in der Nähe einen anderen, viel besseren Platz gab?
Also wanderte ich die anderthalb Kilometer hinunter zum Fluss und begann im Erdreich und im Gras am Ufer herumzustochern. Es dauerte keine zehn Minuten, bis ich das hier gefunden hatte.» Mit diesen Worten griff Porter Stone in seine Hosentasche und zog etwas heraus, das er für alle deutlich sichtbar in die Höhe hielt. Es war eine Pfeilspitze aus Obsidian, perfekt bearbeitet. Ein wunderbar erhaltenes Exemplar.
«Ich war noch viele Male an der Stelle», fuhr Stone fort. «Ich fand weitere Pfeilspitzen, außerdem Tonpfeifen, Steinstößel und eine Unmenge anderer Dinge. Aber nichts hat mich je wieder mit solcher Begeisterung erfüllt wie die Entdeckung dieser ersten Pfeilspitze. Selbst heutzutage gehe ich nirgendwo hin, ohne sie mitzunehmen.» Er schob den schwarzen Stein zurück in die Tasche, dann sah er die versammelte Menge an, und sein Blick ging von einem zum anderen, bevor er weitersprach.
«Es ging gar nicht allein um den Nervenkitzel der Entdeckung. Was zählte, war nicht nur, dass ich ein Ding von Schönheit und von Wert gefunden hatte, sondern die Tatsache, dass ich meinen Intellekt dazu eingesetzt hatte, um die Rätsel der Vergangenheit zu enthüllen – meine Fähigkeit, außerhalb der gängigen Lehrmeinung zu denken. All die anderen vor mir hatten die Geschichte vom Lager dieses Indianerstamms einfach hingenommen, und auch ich hatte so angefangen – doch dann lernte ich eine wichtige Lektion. Eine Lektion, die ich niemals vergessen habe.»
Er schob die Hände in die Taschen und ging auf und ab, während er weitersprach. «Archäologische Grabungen, meine Freunde, sind wie ein Kriminalroman. Die Vergangenheit zieht es vor, ihre Geheimnisse für sich zu behalten. Sie rückt sie nicht freiwillig heraus. Also ist es mein Job, Detektiv zu spielen. Und jeder gute Detektiv weiß, dass der beste Weg, ein Rätsel zu lösen, darin besteht, so viele Beweise und Indizien zusammenzutragen und so gründlich zu ermitteln wie nur irgend möglich.»
Er blieb abrupt stehen, fuhr sich mit einer Hand durch die weißen Haare. «Wie Sie alle wissen, habe ich genau das schon viele Male getan. Die Ergebnisse sprechen für sich. Und ich tue es hier und heute wieder. Ich habe weder Kosten noch Mühen gescheut, weder an Ausrüstung noch an Personal gespart. Sie alle, die Sie jetzt hier vor mir stehen, sind die Besten Ihres jeweiligen Fachs. Ich habe meinen Teil getan, und mit der Entdeckung dieses Skeletts, das nahezu zweifelsfrei der persönliche Leibwächter des Pharaos Narmer war, befinden wir uns einmal mehr an der Schwelle zu einem gewaltigen Erfolg. Ich bin überzeugt, dass wir schon in wenigen Tagen das Grab finden werden, und mit seiner Entdeckung werden wir mehr über jene Geheimnisse in Erfahrung zu bringen, die die Vergangenheit so hartnäckig vor uns zu verbergen versucht.»
Sein Blick glitt über die schweigende Menge. «Wie ich bereits sagte, ich habe meinen Teil getan. Nun, da wir so kurz vor dem Durchbruch stehen, ist es an der Zeit, dass Sie den Ihren tun. Unser Zeitfenster ist denkbar klein. Ich verlasse mich darauf, dass Sie alle in den nächsten Tagen einhundertzehn Prozent geben. Ganz gleich, auf welcher Position Sie arbeiten, ob Sie eine Tauchergruppe führen oder in der Messe das Geschirr spülen – Sie sind ein integraler, ein wesentlicher Bestandteil einer riesigen Maschinerie. Jeder Einzelne von Ihnen ist von entscheidender Bedeutung für unseren Erfolg. Ich möchte, dass Sie das in den kommenden Tagen nicht vergessen.»
Stone räusperte sich erneut. «Irgendwo unter uns liegen die unermesslichen Schätze, die Narmer um sich herum angesammelt hat, die er mit in sein Grab nahm, damit sie ihn in die Nachwelt begleiten. Die Entdeckung – und die Erforschung! – dieser Schätze werden Sie alle nicht nur berühmt machen, sondern auch reich. Nicht notwendigerweise in finanzieller Hinsicht, auch wenn das sicherlich dazugehört. Am wichtigsten jedoch ist, dass sie unser Wissen über die frühesten ägyptischen Könige um ein Tausendfaches erweitern werden – und das ist die Sorte von Reichtum, von der wir als die Detektive der Geschichte niemals genug bekommen können.»
Heftiger Applaus brandete auf. Stone wartete fünfzehn Sekunden, dann dreißig, bis er die Hände hob.
«Ich will Sie nicht länger aufhalten»,
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