Hüter des Todes (German Edition)
hat, scheint zugleich für die Konservierung derselben verantwortlich. Das Skelett ist angesichts der Umstände in einem ausgezeichneten Zustand – nichtsdestotrotz ist ein beträchtlicher Zerfall zu verzeichnen.»
Er nahm den Deckel von dem blauen Behälter ab, dann nahm er behutsam die Knochen heraus und legte sie auf den Autopsietisch vor sich. «Die Gesichts- und Schädelknochen sind intakt, genau wie die Knochen des Brustkorbs, der Arme und der Wirbelsäule. Die Tauchteams haben nach den restlichen Knochen des Skeletts gesucht, jedoch ohne Erfolg. Dabei fanden sie lederartige Überreste von etwas, das vielleicht einmal Sandalen waren. Das archäologische Team vermutet, dass die Schlickmatrix nur den Oberkörper konserviert hat und dass die Unterleibssektion vollkommen verwittert ist und nicht mehr existiert.»
Er ordnete die Knochen gemäß der ungefähren Anatomie auf dem Tisch an. Logan betrachtete sie neugierig. Sie waren dunkelbraun, beinahe mahagonifarben, wie durchgefärbt nach ihrem fünftausend Jahre währenden Schlammbad. Während Rush nach und nach immer weitere Knochen aus dem Container nahm und auf den Tisch legte, breitete sich im Raum der Geruch des Sudd aus, Torf, verwesende Pflanzen sowie ein merkwürdiger, süßlicher Gestank, der in Logan eine leichte Übelkeit weckte.
Rush sprach erneut in das Mikrophon. «Die Radiokarbondatierung durch Massenspektrometer deutet darauf hin, dass die Knochen ungefähr fünftausendzweihundert Jahre alt sind, mit einer Fehlertoleranz von zwei Prozent, sprich einhundert Jahren aufgrund der natürlichen Verunreinigungen in der umgebenden Matrix.»
«Also stammen sie aus der Zeit König Narmers», sagte Christina Romero leise, während sie mit ihrem Füllfederhalter spielte.
«Bei den Knochen wurde ein Rundschild gefunden, stark verwittert, sowie die Überreste von etwas, das ein Streitkolben sein könnte.»
«Die Ausrüstung der persönlichen Leibwache des Pharaos», fügte Christina Romero hinzu.
«Obwohl der Schild wie erwähnt in schlechtem Zustand ist …», fuhr Rush fort, «… ist es dem archäologischen Team mit Hilfe von Feingusstechniken und digitaler Bearbeitung gelungen, die Überreste der Verzierungen auf dem Schild sichtbar zu machen. Wie es scheint, handelt es sich dabei um ein Serech , das zwei Symbole enthält: einen Fisch und eine Art Werkzeug.»
Wieder schaltete sich Christina Romero ein. «Es handelt sich dabei um einen Wels und einen Meißel. Beide zusammen ergeben die phonetische Repräsentation von Narmers Namen. Zumindest ist es das, was ich vermute – wenn March mich doch nur endlich mal einen Blick auf das verdammte Ding werfen lassen würde!»
Rush drückte die Pausetaste am Mikrophon. «Christina, würden Sie bitte mit Ihren Kommentaren warten, bis ich mit meinem Bericht fertig bin?»
Christina Romero neigte den Kopf und legte die Finger leicht an die Stirn in gespielter Zerknirschung. «Verzeihung.»
Rush aktivierte das Mikrophon wieder. «Was die Knochen betrifft, der Schädel ist relativ intakt, am besten erhalten sind Hirn- und Eingeweideschädel. Die Schläfenbeine sind verschwunden. Unterkiefer, Zungenbein und Schlüsselbeine zeigen beträchtlich stärkere Verwitterung. Die meisten Zähne fehlen, und an den noch verbliebenen ist fortgeschrittene Karies zu sehen, die typisch ist für jene Periode.» Er verstummte, um den Rest der Knochen zu untersuchen. «Die Rückenwirbel sind zunehmend verwittert und beschädigt, je weiter wir vom Hals nach unten in den Rücken- und Lumbalbereich kommen. Der letzte vorhandene Lumbalwirbel ist L zwo – Kreuzbeinwirbel und Steißbein fehlen völlig. Die Rippen Nummer eins bis acht sind vorhanden. Auch hier nach unten hin zunehmend Verwitterung; auf der sechsten Rippe links befindet sich eine deutliche Kerbung, hier», er hielt erneut inne, um genauer hinzusehen, «die von der Schneide eines Messers oder eines Schwertes herrühren könnte. Was zu der Annahme führt, dass eine unnatürliche Todesursache wie Mord oder Totschlag vorliegt.»
«Ich wusste es!», rief Christina Romero triumphierend in den Raum.
Der plötzliche laute Ausbruch ließ Logan zusammenzucken. Rush schaltete das Mikrophon erneut ab und sah die Ägyptologin irritiert an. «Christina, ich muss wirklich darauf bestehen, dass Sie …»
«Aber Sie irren sich, was die Todesursache angeht!», unterbrach sie ihn erneut. Der triumphierende Tonfall war nicht verschwunden. «Es war kein Mord! Es war Selbsttötung!»
Rush
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