Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Einige Artikel sind über ihn geschrieben worden. Er hat nirgendwo eine Ehefrau versteckt, kein Vorstrafenregister, keine hässlichen Scheidungen. Er ist einfach nur ein netter Mann, der viel zu viel arbeitet.«
»Und er will nach Sea Haven ziehen und eine erfolglose Galerie kaufen.«
Judith zuckte die Achseln. »Wir sind auch hierhergekommen, um ein anderes Leben zu beginnen.«
»Wir haben alle eine Vergangenheit, Judith«, hob Blythe hervor. »Wir sind kein gutes Beispiel. Ich appelliere nur an deine Vernunft, weil du wirklich dabei bist, von der Klippe zu springen, und du hältst nicht mal Ausschau nach einem Sicherheitsnetz.«
»Vielleicht will ich keines. Ich möchte mich nur dieses eine Mal etwas empfinden lassen.«
»Du weißt, dass du ein Geistelement bist, Judith. Daran kann nichts etwas ändern.« Blythe schnitt das eigentliche Problem an. »Reagiert er auf dich? Oder reagierst du auf ihn? Sind deine Gefühle echt?«
»Er ist nicht da und ich fühle es immer noch«, sagte Judith mit einem kleinen Achselzucken. »Es fühlt sich echt an. Ich bin so glücklich und ich fühle mich tatsächlich schön und so lebendig .«
»Und du hast nichts dagegen, wenn ich Jonas anrufe und ihn bitte, Thomas Vincent zu überprüfen?«, fragte Blythe.
Judith sah ihr fest in die Augen. »Du stellst mich auf die Probe, um zu sehen, ob ich mir sicher bin, was ihn angeht. Ich bin mir sicher, Blythe. Ich habe einen weiten Bogen um den Genpool der bösen Buben gemacht und ich bin mir absolut sicher, dass er authentisch ist. Es fällt mir schwer, seine Aura zu deuten, aber das ist nicht allzu ungewöhnlich. Menschen mit Gaben haben oft eine uneinheitliche Aura.«
»Gaben?«, hakte Blythe nach und zog eine Augenbraue hoch.
Judith stellte fest, dass sie grundlos errötete. Sie hatte gefühlt, wie sich sein Geist aufschwang, um ihrem Geist entgegenzustreben. Es war schon schwierig genug, sich körperlich und intellektuell zu jemandem hingezogen zu fühlen, aber dass ihr Geist den Geist eines anderen Menschen an sich ziehen wollte und es kaum erwarten konnte, ihn in sich aufzunehmen und von ihm aufgesogen zu werden, war ihr, offen gestanden, noch nie zuvor passiert, und sie kam sich vor wie ein leichtfertiger Teenager, der sich in einen Rockstar verknallt hat.
Sie nickte. »Er besitzt eindeutig irgendwelche Gaben.«
Blythe schüttelte den Kopf. »Und das bereitet dir nicht die geringsten Sorgen?«
»Ich weigere mich, mir Sorgen zu machen.« Sie warf sich neben Blythe auf das Bett und nahm sie an den Händen. »Freu dich für mich. Gönne es mir. Höchstwahrscheinlich werde ich morgen feststellen, dass alles nur von mir ausgegangen ist und er in Wirklichkeit meine Gefühle millionenfach verstärkt empfunden hat.«
»Und wenn das nicht der Fall sein sollte?«
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.«
»Ich rufe Jonas an.«
Judith zuckte die Achseln. »Von mir aus. Er wird nichts finden.«
»Und du wirst es Levi und Rikki sagen müssen«, ermahnte Blythe ihre Schwester.
»Levi kann sich rar machen«, sagte Judith. »Es geht doch nur um zwei bis drei Stunden. Ich werde Thomas nicht einmal in die Nähe der anderen Häuser führen.«
Blythe zog die Augenbrauen hoch. »Du verstehst Levi wirklich nicht, stimmt’s, Judith? Er ist kein Mann von der Sorte, die sich rar macht. Er wird sich Sorgen um Rikki machen, aber auch um dich. Er wird da sein und er wird euch beobachten, und wahrscheinlich wird er die ganze Zeit ein Gewehr auf deinen Thomas richten.«
Judith seufzte. »Es ist schon erstaunlich, wie schnell das Leben kompliziert werden kann. Ich möchte doch nur ein paar Stunden mit ihm verbringen und vielleicht noch ein- oder zweimal dieses Gefühl haben, selbst dann, wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht.« Sie sah Blythe in die Augen. »Würdest du dir etwa nicht wünschen, dich noch einmal so zu fühlen? Schließlich kennst du es von früher.«
Einen Moment lang herrschte Stille. Blythe wandte sich von ihr ab und lief auf ihren langen Beinen durch das Zimmer, mit steifen Schultern und einem steifen Rücken. Scham brandete über Judith hinweg. Sie folgte ihrer ältesten Schwester durch das Zimmer und legte ihr eine tröstliche Hand auf die Schulter.
»Es tut mir leid, Blythe. Ich habe es nicht so gemeint, wie es geklungen haben muss. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich meinte nur, es ist erstaunlich, dieses Gefühl wieder zu haben, und ich weiß, dass du dich mindestens einmal so gefühlt hast –
Weitere Kostenlose Bücher