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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ihnen ab.
    »Tja, wo fang ich am besten an?«
    »Am Anfang?« Das kam von Andrea, begleitet von einem entwaffnenden Lächeln.
    »Es war einmal?« Er lachte. »Aber das wird kein Märchen! Also gut. Wie vertraut sind Sie mit dem Skigebiet?«
    »Wenig. Ich fahr nicht Ski«, sagte Irmi.
    »Ich geh Touren. Selten. Aber eher in Richtung Allgäu«, meinte Andrea.
    »Gut, dann muss ich doch bei Adam und Eva anfangen. Ganz früher gab es hier mal eine alte Halle. Dieses Provisorium haben wir gekauft und einen Szenetreff daraus gemacht. Eine lange Bar mit Feuerstelle. Heute würd ich sagen, wir hätten es dabei belassen sollen. Das Gebäude war nicht beheizbar, und deshalb wollten wir irgendwann eine richtige Hütte bauen. Wir haben ein Konzept entwickelt und Investoren gesucht oder Kreditgeber und haben angefangen. Mit viel Elan und einer Finanzierungszusage einer örtlichen Bank. Und kurz vor knapp sagen die uns den Kredit ab.«
    »Warum?«
    »Weil der Vorstand im Skiclub war und der wiederum das Garmischer Haus trägt, und man finanziert doch nicht ein Konkurrenzunternehmen!« Er lachte, diesmal aber sarkastisch und bitter.
    »Sie wollen sagen, da lässt sich eine Bank ein gutes Geschäft entgehen, bloß weil der Skiclub dagegen ist?«
    »Genau das will ich sagen. Im Skiclub sitzen die Entscheider, Intrigenspinner und Fäden-in-der-Hand-Halter. Sind Sie aus Garmisch?«, fragte er unvermittelt.
    »Nein, aber aus der Umgebung.«
    »Gut, dann sind Sie eine Insiderin. Wir reden vom Werdenfels, Frau Mangold. Wir wissen doch beide, wie solche Sachen hier laufen.«
    Das Werdenfels war keine Region frohen Zusammenschaffens. Eher eine Region, in der Kirchturmpolitik und Brotneid herrschten. Bevor der Nachbar profitiert, profitiert man lieber selber. Und wenn das nicht geht, dann eben gar keiner!
    Irmi kam das Allgäu in den Sinn. Sie dachte an Sepp und seine Erklärung der Siedlungsstruktur. Lag der unterschiedliche Charakter der Leute einfach daran, dass die Allgäuer allein mit der Familie auf ihren Hügeln hockten, rundum von Wiesen umgeben? Und die Oberbayern mit ihren Bauerndörfern einfach seit alters her zu dicht aufeinandergesessen waren? Diese Allgäuer hatten niemanden gehabt, auf den sie hätten schauen können. Die Bayern schon – auf den Nachbarn, der das dickere Ross hatte, den fetteren Hahn, mehr Kühe und eine schönere Frau. Den größeren Bulldog, den moderneren Ladewagen …
    Irmi rief sich zur Räson: Wie dachte sie bloß über ihre Heimat?
    »Gut, wenn Sie auf eine gewisse mangelnde Flexibilität im Denken anspielen, auf ein Beharrungsvermögen im Desham-mir-no-nia-ned-kennt, auf eine gewisse Orientierung am Nachbarn, dem es bitte nicht besser gehen möge …« Irmi grinste.
    »So schön hätte ich es nicht formulieren können! Ja, darauf spiel ich an. Man wollte nicht, dass wir Erfolg haben.«
    »Aber wenn es eine coole Hütte am Berg gibt, hilft das doch auch dem Skigebiet im Ganzen. Da hat der Gast doch ein positives Erlebnis«, kam es von Andrea.
    »Kluges Kind, aber völlig falsch gedacht.« Franz Utschneider wandte sich an Irmi. »Lassen Sie mich raten: Die junge Kollegin kommt nicht von hier?«
    »Ich komm aus Halblech. Ich hab aber eine Wohnung in Garmisch«, erklärte Andrea.
    »Halblech. Das ist Allgäu. Da ticken die touristischen Uhren anders. Aber lassen Sie mich weitererzählen. Wir sind rotiert, von Bank zu Bank. Wieder hatte ich eine Zusage. Nun kommt Xaver Fischer ins Spiel, der natürlich seit gefühlten zweihundert Jahren im Skiclub ist. Über ein paar Spezln hat er erwirkt, dass auch diese Bank abgesprungen ist. Jetzt stellen Sie sich das vor: Ich rase unten von Bank zu Bank, und oben tobt schon der Abriss.«
    »Der reinste Krimi!«, bemerkte Irmi.
    »Wir wussten nicht mehr weiter. In dieser Situation hab ich mit dem Mut der Verzweiflung eine Bank in München angesprochen. In irgendwelchen heiligen Hallen das Konzept vorgelegt. Am nächsten Tag standen drei Banker mit schicken Kamelhaarmänteln und Lederschühchen hier im Schlamm und haben das Ganze begutachtet. Und sie haben zugesagt.«
    »Gott sei Dank!«, rief Andrea, die seinen Worten aufmerksam gefolgt war.
    »Oder auch nicht«, brummte er. »Wir konnten eröffnen, nur kam kein Winter. Weit und breit kein Schnee in Sicht, Temperaturen wie im Spätsommer. Uns stand das Wasser bis zum Hals. Ich sehe noch den Fischer Xaver, wie er Mitte Dezember auf unserer Terrasse stand und sagte: ›Wie bei einer Sanduhr, Buam! Das Geld rieselt

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