Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
– schade, dass Sie den nicht kennenlernen. Ist gerade zu Hause in Tunesien. Eine Mischung aus Teppichhändler, Superhirn und Redemaschine. Aber der hätte auch im Leben niemanden ermordet. Der hätte Fischer höchstens totgeredet. Ja, was auch immer. Sie kriegen Ihre Liste. Darf ich Ihnen die Aufstellung nachher zumailen?«
    »Selbstverständlich.« Irmi gab ihm ihre Karte. »Und ich bräuchte genauere Angaben, wo Sie am Freitag waren. Hat Sie jemand gesehen und so weiter.«
    Franz Utschneider lag eine Erwiderung auf der Zunge, aber er fragte nur: »Wollen Sie mit hinunter? Ich fahr jetzt sowieso ins Tal und hol die Gäste ab.«
    Da Irmi wegen ihrer Knie generell ungern bergab ging, stimmte sie zu. Ehe sie mit Andrea einstieg, betrachtete sie noch einmal die Umgebung der Hütte. Es war eine schöne offene Almlandschaft mit ein paar versprengten Baumgruppen.
    »Schön haben Sie es da heroben«, sagte Irmi, als sie im Kleinbus saßen.
    »Ja, allerdings würde das bald ganz anders aussehen, wenn’s nach den Baumfreaks ginge.«
    »Baumfreaks?«
    »Sehen Sie, es gibt hier Kreise, die würden das alles am liebsten sich selbst überlassen, wie es so schön heißt. Oder aufforsten, das ginge dann eher an die Adresse einiger Schlaumeier in der Forstbehörde.«
    Irmi hatte die Stirn gerunzelt, sagte aber nichts.
    »Früher gab es viel mehr Freiflächen in den Alpen«, fuhr er fort. »Almen wurden freigehalten, man kämpfte gegen die Verbuschung. Wenn Sie Estergebirge, Wetterstein und Karwendel heute betrachten, dann haben die Weideflächen in den letzten hundert Jahren sicher um dreißig Prozent abgenommen. Schauen Sie sich mal alte Bilder an, da sehen Sie Schachbrettmuster aus Wald und Grasflächen, heute gibt es nur noch Wald und kleine Grasinseln.«
    »Vielen Bauern ist die Almbeschickung heute eben viel zu aufwendig«, meinte Irmi. Sie kannte das Problem, nur noch wenige von Bernhards Kollegen waren Vollerwerbslandwirte.
    »Gar keine Frage, aber wir reden von einer uralten Kulturlandschaft. Grasflächen sind erwiesenermaßen wichtige Regulative für den Wasserhaushalt, die Weiden bauen der Erosion vor. Vom touristischen Nutzen ganz zu schweigen. Oder würden Sie noch wandern gehen, wenn Sie immer nur durch den Wald laufen müssten, nie was sehen und nie auf einer Alm einkehren könnten?«
    »Ich nicht!«, rief Andrea.
    »Ich auch nicht«, bemerkte Irmi, »aber am Berg gab es immer schon verschiedene Interessensgruppen. Almbauern, Waldbauern, Jäger, die ganze Freizeitriege. Und Sie brauchen die Freiflächen zum Skifahren. Ohne Skifahrer keine Hütte!«
    »Zweifellos, aber heutzutage verdammen ja nur noch die völlig Uninformierten den Skisport. Schneekanonen schützen die Grasnarbe. Almflächen halten Lawinen. Das ist alles ein alter Hut. Wir müssen um unsere verbliebenen Grasflächen kämpfen, so schaut es aus!« Er hatte sich in Rage geredet. Mehr als vorher, als es um Fischer gegangen war.
    »Sie sind ziemlich drin im Thema, oder?«, meinte Irmi.
    »Ja, weil ich hier an einer Schnittstelle sitze. Die Forstler wollen aufforsten, dabei ist ihr Gebrüll nach Schutzwald reine Marktschreierei. Denen geht es nur um den waldwirtschaftlichen Profit, aber Schutzwald klingt halt besser. Da reden Sie mal mit dem Andreas von der Skiwacht, der hat im Sommer die Wallgauer Alm. Es geht um eine der schönsten Almwiesen im weiten Umkreis, die aufgeforstet werden soll. Die Almbauern wehren sich, die Naturschützer wehren sich, weil da eine Artenvielfalt an Blumen herrscht, die man suchen muss.«
    Irmi überlegte kurz. »Dann ist einer wie Fischer in der Zwickmühle. Er lebt vom Skisport, aber Aufforsten würde ihm doch sicher auch gut gefallen. Geld stinkt nicht, oder?«
    »Oh ja, und darüber ist er schon mit einigen in die Haare geraten!«, rief Franz Utschneider.
    »Ach, mit wem denn?«, wollte Andrea wissen.
    »Mit einer Gruppe vom Bund Naturschutz, die hier eine Studie über den Zusammenhang von Beweidung und irgendwelchen Orchideen durchgeführt haben. Und mit Xavers Dauerrivalen, seinem Bruder Hans.«
    »Warum das denn?«
    »Hans Fischer ist Landwirt, einer dieser Millionenbauern, die zur richtigen Zeit das richtige Land verkauft haben. Hans Fischer hat Forst, verkauft Holz und braucht das ganze Geld schon lange nicht mehr. Er hat angefangen, so komische Rinder zu züchten, die aussehen, als wären sie zu heiß gewaschen worden. Nach dem Motto: Hilfe, ich hab die Kühe geschrumpft. Ansonsten ist seine Leidenschaft die Jagd.

Weitere Kostenlose Bücher