Huff, Tanya
Hörer wurde mit etwas mehr
Nachdruck, als erforderlich gewesen wäre, auf die Gabel geworfen. „Du
scheinheiliger Speichellecker."
Sie holte tief Luft, blickte auf, schenkte Celluci ein
strahlendes Lächeln und sagte: „Ich nehme an, Sie können nicht einfach
vergessen, was Sie da eben gehört haben?"
Celluci erwiderte das Lächeln ganz bewußt mit einem
besonders charmanten eigenen. „Was soll ich gehört haben?"
„Herzlichen Dank. Was können wir für Sie tun?"
„Ich bin hier, um mit Patricia Chou zu reden." Als
ihr Gesichtsausdruck sich daraufhin änderte, fügte er hinzu: „Mein Name ist
Celluci. Ich hatte angerufen."
„Richtig, sie hat das erwähnt." Die Frau stand auf
und streckte Mike die Hand hin. „Ich bin Amanda Beman, Patricias
Produzentin."
Ihr Händedruck erinnerte ihn an Vickis - minus die
neuerworbene, unwillkommene Fähigkeit, Knochen zu brechen. „Arbeiten denn Produzentinnen
in der Regel auch am Empfang?"
„Machen Sie Witze? Bei unserem Budget arbeite ich auch in
der Telefonzentrale und leere die Papierkörbe. Kommen Sie."
Bleistiftenden bebten, als sie mit dem Kopf auf eine Tür wies, an der nur zwei
Blätter Papier hingen. Verglichen mit der Papierdichte an der sie umgebenden
Wand konnte die Türfläche praktisch als leer gelten. Auf dem einen stand: Bitte
die Klingel betätigen, sollte der Empfangstresen nicht besetzt sein, und der
Zettel darunter - hellgrüne Buchstaben auf dunkelgrünem Grund - verkündete:
KLINGEL KAPUTT! BITTE KLOPFEN.
„Später geht es hier wesentlich hektischer zu",
erklärte Amanda und führte Mike einen leeren Flur entlang. „Unser
Frühstücksfernsehen besteht aus fertig gedrehten Lehrfilmen, die uns die
Universität von British Columbia zur Verfügung stellt, also arbeiten wir bis
mittags mit einem Minimum an Beschäftigten." Sie warf ihm einen müden
Blick zu. „Danach werden wir auch nicht viel mehr."
„Dennoch war Ms. Chou gleich heute früh schon hier."
„Sie wird auch die Letzte sein, die geht. Unsere kleine
Patricia würde gern Geraldo Rivera werden, wenn sie mal groß ist."
„Sie waren auch hier ..."
„Ich bin immer hier." Sie blieb vor einer
unbeschrifteten Stahltür stehen und senkte die Stimme. „Sie müssen ziemlich
überzeugend gewirkt haben, wenn es Ihnen gelungen ist, Patricia zu so einem frühen
Termin zu überreden, und Sie sehen so aus, als könnten Sie durchaus selbst auf
sich achtgeben, aber mein Gewissen läßt es nicht zu, Sie ungewarnt da reingehen
zu lassen. Also: Wenn sie sagt, Sie könnten sie ruhig Patricia nennen, dann
meint sie das genau so; Patricia, unter gar keinen Umständen Pat. Dann: Nichts
von dem, was Sie ihr erzählen, bleibt unter vier Augen. Wenn Patricia es
verwerten kann, dann tut sie es auch. Noch eins: Wenn sie der Meinung ist, Sie
könnten ihr nützlich sein, dann wird sie Sie auch benutzen, und angesichts der
Tatsache, daß Sie nicht gerade potthäßlich sind, rate ich Ihnen, immer in
Bewegung zu bleiben. Geben Sie bloß kein feststehendes Ziel ab." Damit
klopfte die Produzentin an die Tür und wies Celluci an, einzutreten. „Viel
Glück."
„Langsam bekomme ich das Gefühl, ich sollte mich lieber
mit Peitsche und Stuhl bewaffnen", murmelte der Detective und griff nach
der Türklinke.
„Eine Zyankalikapsel wäre praktischer", erwiderte
Amanda fröhlich. „Wir brauchen Patricia. Sie nicht. Also: immer schön in
Bewegung bleiben."
Als die Tür sich schloß, hörte er die Frau leise vor sich
hinsummen: „Ding, dong, die Hex' ist tot." Dann hörte er nichts mehr, denn
der schwere Stahl schluckte alle vom Flur hereindringenden Geräusche. Dann kann
ich ja davon ausgehen, daß mich auch niemand hört, wenn ich schreie.
Ursprünglich einmal war der Raum ein einziges riesiges
Rechteck aus Ziegelsteinen gewesen, das man mit Hilfe von Bücherregalen in zwei
kleinere Arbeitsbereiche unterteilt hatte. Einer der Bereiche war kleiner als
der andere und hatte noch dazu keine Fenster. Zielsicher ging Celluci hinüber
in den größeren.
Die Frau, die dort am Computer arbeitete, nahm keine Notiz
von seiner Anwesenheit, auch wenn sie sowohl das Klopfen ihrer Produzentin als
auch Cellucis Eintreten gehört haben mußte. Celluci hatte nicht den Eindruck
bewußter Unhöflichkeit; er war einfach nur nicht so wichtig wie die Arbeit, mit
der die Frau gerade beschäftigt war. Was allerdings, wenn er es recht bedachte,
schlimmer als Unhöflichkeit und die reinste Beleidigung war. Jahrelange
Polizeiarbeit hatten
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